Von Klaus H. Frank
Es muss nicht immer die absolute Nobelklasse sein, um Blicke auf sich zu ziehen. Ein Audi Q8 kann’s auch. Allein schon wegen seiner Größe. Ein Riesenteil, wie ein monolithischer Block – und trotzdem elegant. Aber nicht täuschen lassen: Der Q8 ist nicht der Längste im Ingolstädter „Q-Stall“. Er ist mit 4,99 Meter knapp sieben Zentimeter kürzer als der leicht angegraute Q7. Mit der Breite von glatt zwei Metern übertrifft der Achter den Siebener jedoch um drei Zentimeter, was ihm deutlich mehr Präsenz verleiht.
Der erste Blick. Beeindruckend ist aber nicht allein die schiere Größe, sondern das, was die Designer mit Marc Lichte an der Spitze daraus gemacht haben. Der Q8 wirkt keinesfalls überdimensioniert und protzig. Im Gegenteil: Er ist unbestritten das eleganteste Fahrzeug im SUV-Segment. In der Seitenansicht wirkt er sogar leicht fragil, bedingt durch das flach auslaufende Coupé-Dach mit dem langen Dachkanten-Spoiler, die sehr schräg stehende A-Säule und die coupé-typischen rahmenlosen Seitenscheiben. Absolut cool ist die Lackierung des Testwagens: ein knalliges „drachenorange“, wie gemacht für den Audi Q8.
Schön, dass der Q8 sogar traditionelle Design-Werte aus dem Gestern ins Heute herübergerettet hat. Wir denken da an die ausgeprägten Schultern und muskulösen Kotflügel, die an die fetten Backen eines Ur-Quattro erinnern – eine wirklich gelungene Reminiszenz an die Rallye-Ikone aus den Achtzigern. Unter den kräftig gewölbten Kotflügeln des Q8 sitzen riesige 22-Zoll-Räder mit fetten 285er Schlappen, von denen jedes einzelne 1300 Euro kostet.
Wer dem SUV-Coupé direkt ins Gesicht blickt, sieht einen komplett anderen Q8, einen deutlich aggressiveren. Der achteckige Grill, flankiert von großen Lufteinlässen, erinnert an das aufgerissene Maul eines gefräßigen Walhais. Die schräg nach oben gerichteten schlitzäugigen, schmalen LED-Scheinwerfer (auf Wunsch in HD Matrix LED-Technologie für 1690 Euro) geben ihm einen leicht asiatischen Charakter. Beabsichtigt? Kann durchaus sein, denn China ist ein wichtiger Absatzmarkt. Es heißt, mittlerweile sei er dort zum echten Objekt der Begierde aufgestiegen. Das Heck des Q8 wirkt aufgeräumt und schnörkellos mit einer deutlichen Breitenbetonung durch das durchgehende breite LED-Lichtband und durch die OLED-Heckleuchten, dank deren der Q8 auch nachts einen hohen Wiedererkennungseffekt hat.
Schaun wir doch mal rein. Wow! Audi nennt den Innenraum eine Wohlfühl-Lounge. Perfekt definiert. Der Fahrer blickt auf ein Cockpit, das – wäre da nicht das Lenkrad – dem eines modernen Business-Jets ähnelt. Zentrales Element für die Bedienung ist das MMI-Display, das fast unsichtbar in eine große schwarze Fläche integriert ist. Hier werden im oberen Teil Infotainment und Navigation gesteuert, darunter die Klimatisierung. Zentral hinter den Lenkrad liegt das virtuelle Cockpit mit seinem 12,3 Zoll Display. Es besitzt eine gestochen scharfe Darstellung für die Navigation – ganz großes Kino. Außerdem blendet das optionale Head-up-Display (1390 Euro) wichtige Infos (Navi, Tempo, Verkehrsschilder) in die Windschutzscheibe ein, so dass der Blick des Fahrers nicht von der Fahrbahn abgewendet werden muss.
Trotz der vielen Funktionen überfordert das System den Fahrer nicht: Menüs und Untermenüs sind selbsterklärend, alles ist übersichtlich. Ganz toll ist das haptische und akustische Feedback, das beim Druck auf die Tasten dezente Klick-Töne imitiert. So werden Fehleingaben durch versehentliche Berührung verhindert. Außer dem Drehrädchen zur Lautstärkeregelung des Radios gibt’s keine Knöpfchen mehr. Und wer nicht auf den Touchscreens nach Buchstaben suchend rumtippen will, sagt dem Auto via Sprachsteuerung einfach, was es tun soll oder kritzelt den Befehl mit dem Finger auf das Display.
Geräumige Wohlfühl-Lounge. Im Innenraum und speziell am Cockpit ist unverkennbar, mit wie viel Liebe zum Detail der Q8 verarbeitet ist. Begeisternd ist die hohe Wertigkeit der Materialien. Der Klavierlack wird zwar Sauberkeitsfetischisten zur Weißglut bringen, weil wieder mal jemand mit seinen Fettfingern dort rumgetatscht hat – ein Mikrofasertuch hilft. Aber dieses Hochglanzteil sieht halt auch verdammt gut aus. Überhaupt: Das gesamte Interieur ist Weltklasse – und sogar die Luft ist gut, denn die wird gefiltert. Ja, es ist eine Wohlfühllounge – und eine geräumige dazu. Kein Wunder, bei einem Radstand von drei Metern.
Es fühlt sich an wie Erste-Klasse-Fliegen. Alle Passagiere sitzen bequem und luftig auf feinstem Valcona-Leder mit Rautensteppung – sogar hinten, trotz schrägem Dach. Die Kopffreiheit ist okay, es sei denn jemand macht Dirk Nowitzky in Sachen Körpergröße Konkurrenz. Die Sitzbank lässt sich um 100 Millimeter verschieben. Das heißt luxuriöse Beinfreiheit, was allerdings das Kofferraumvolumen etwas einschränkt. Aber dennoch ist auch dort üppig Platz bei einem Fassungsvermögen von 605 bis 1755 Liter.
Aufs Gas treten. Motorisiert ist das Testfahrzeug mit einem Dreiliter-V6-Diesel mit 286 PS. Die Kraft von 600 Newtonmetern Drehmoment sorgt für guten Durchzug und eine erstaunliche Beschleunigung auf 100 in nur 6,5 Sekunden. Das ist wirklich ordentlich für ein Auto, das mindestens 2220 Kilogramm auf die Waage bringt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 241 km/h. Allerdings, muss eingeschränkt werden: Im Drehzahlkeller wirkt der Diesel ziemlich lahm. Ein paar Touren braucht er schon, um aus den Puschen zu kommen.
Wie ist der Durst des Q8? Über den Verbrauch kann nicht geklagt werden. Der seidenweiche Antrieb verbraucht im Test 8,7 Liter. Damit kann wohl jeder leben – auch in einem Zeitalter des Klimawandels, in dem Verbrenner ja nicht mehr zur beliebtesten Fahrzeuggattung gehören. Übrigens: Der Q8 ist ein Mild-Hybrid. Er besitzt ein 48-Volt-Bordnetz, eine kleine Lithium-Ionen-Batterie und einen Starter-Generator. Damit kann der Q8 zwischen Tempo 55 und 160 km/h etwa 40 Sekunden lang segeln, schaltet schon ab 22 km/h in den Start-Stopp-Modus und kann auch rekuperieren – das spart Sprit.
Wir schätzen den Q8 vor allem als Reisewagen auf der Langstrecke. Cruisen ist angesagt. Die Wandlerautomatik mit acht Gängen erledigt ihren Job perfekt. Die Lenkung ist präzise, im Dynamic-Modus sogar ziemlich spitz. Und dank der hervorragenden Dämmung mit Akustikverglasung sind störende Geräusche und Vibrationen des Selbstzünders nicht wahrnehmbar. Auch der Straßenlärm ist ausgesperrt – eine geradezu perfekte Laufkultur.
Na dann starten wir doch mal. Satte Länge und fast 2,3 Tonnen Gewicht, das klingt ein bisschen nach Panzer und dessen sperrigen Fahreigenschaften. Weit gefehlt und eine echte Überraschung: Der Audi Q8 fährt leichtfüßig und agil, fast wie seine kleineren Brüder. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Allradlenkung, die den Q8 flink um die Kurven düsen lässt und ihn gemeinsam mit dem permanenten Allradantrieb gleichzeitig sehr sicher macht – zum Beispiel bei einem Ausweichmanöver auf der Autobahn.
Natürlich sollte man die üppigen Außenmaße stets im Blick haben. Denn es kann schon eng werden in kleinen Gässchen und vor allem in Parkhäusern. So viel Blech um einen herum fordert gern seinen Tribut in Form von Beulen. Damit aber jeder ohne Blessuren davon kommt, steckt eine ganze Armada von Heinzelmännchen (es gibt 39 Assistenzsysteme) unter der Haube. Bis zu fünf Radar- und zwölf Ultraschallsensoren, sechs Kameras und ein Laserscanner, passen auf, warnen und greifen sogar ein, falls der Fahrer einmal unaufmerksam sein sollte.
Die Assistenten. Wie gesagt, hellwache Assistenzsysteme gibt’s zuhauf. Eines davon ist aber eine besondere Bemerkung wert. Es ist der prädiktive Effizienzassistent. Hier passt das System die Geschwindigkeit an die Situation oder Topographie, an Tempolimits und den vorausfahrenden Verkehr an. Dabei greift der prädiktive Effizienzassistent auf Daten der Navigation zurück und gibt dem Fahrer Tipps, wann es sinnvoll sein könnte, vom Gas zu gehen, damit der Motor in den Segelmodus wechseln kann. Dann nämlich wird der Antriebsstrang, um Sprit zu sparen, komplett von Fahrwerk abgekoppelt. Die Hinweise erscheinen optisch im Display vor Kurven oder Kreuzungen vor einem Kreisverkehr, vor Gefällen, Ortschaften oder bei einem Tempolimit und signalisieren, das Tempo zu verlangsamen. Gleichzeitig pulsiert das Gaspedal gegen die Fußsohle und gibt so den Hinweis vom Gas zu gehen.
Alltagstauglichkeit. Kein Problem – bis auf den erwähnten Umstand, dass der Q8 doch etwas lang und breit ist. Aber er ist nicht nur alltagstauglich – er ist auch offroadtauglich. Durch den permanenten Allradantrieb, 254 Millimeter Bodenfreiheit, kurzen Überhängen und dem Bergabfahrassistent fährt der Audi Q8 auch dort weiter, wo für viele der Asphalt endet.
Was meint das Bankkonto? 79 100 Euro kostet der Q8. Ganz schön happig. Wie sagte doch Oma: Dafür muss ich ganz schön lange stricken. Und leider bleibt´s bei dieser Summe ja meist nie. Denn das breite Spektrum an Sonderausstattung ist sehr verlockend, aber auch teuer. Der Preis des Testwagens Audi Q8 50 TDI: 115 000 Euro. (autour24/khf)