Von Karl Seiler
Ein 1923 in Schweden auf einem Ford Model T One Ton Truck aufgebauter Linienbus landete bereits fünf Jahre später beim Schrotthändler. Ohne Motor und Achsen diente sein Aufbau dann bis 1952 als Spielhaus, wurde in den 70er Jahren in Dänemark wieder mit einem Original-Fahrgestell komplettiert und fährt nun, behutsam unter Erhaltung der Patina restauriert, als Hundertjähriger in der Nordoberpfalz
Das Fahrgestell des Model T Truck kostete vor 100 Jahren nur 650 US Dollar, der elektrische Anlasser aber 70 Dollar extra. Der 2,9-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor mit 17 kW/22 PS, Zweigang-Getriebe und Vorderachse entsprachen den „Tin Lizzy“ genannten Pkw-Modellen Der verstärkte Rahmen mit um 25 Zoll auf 3,18 Meter verlängertem Radstand hatte aber eine Hinterachse mit Schneckenwellenantrieb statt Tellerrad mit Ritzel und eine kürzere Übersetzung sowie hinten größere Reifen als vorn.
Aus Linienbus wurde Spiel- und Gartenhaus
In Söderköping wurde 1923 ein mit Zinkblech beplankter Holzaufbau mit Heckeinstieg, insgesamt 25 Glasscheiben, einem Fahrersitz sowie zwei Längs-Sitzbänken für 12 Passagiere gefertigt. Wegen dem Linksverkehr (der in Schweden bis 1967 galt) wurde die zusätzliche Fahrertür vorne rechts eingebaut.
Bis 1928 fuhr der Bus im Linienverkehr von Ulrika nach Linköping, landete dann beim Schrotthändler und wurde er so zum „traurigen Bus“ – bis ihn der Vater von Inga Lisa Nielson für seine Tochter als 3,5 Meter langes Spielhaus in den Garten in Mjölby setzte. Unter einer Überdachung diente er bis 1952 als Clubhaus – bis Inga nach Texas auswanderte, heiratete und nunmehr Calissendorff hieß.
Umweg über Dänemark in die Nordoberpfalz
Über einen Oldtimersammler aus Linköping landete der Bus-Aufbau Ende der 70er Jahre bei Viklit Grae Jörgensen, einem Sammler und Händler aus Holte/Dänemark. Der schlachtete ein Feuerwehrauto, das auch auf einem Ford Model T Truck montiert und brachte so den Bus wieder zum Laufen. „Den gråtande bussen“ war jetzt nicht mehr traurig, sondern blieb ständig in Dänemark zugelassen.
Im Juni 2021 kaufte Harald Schmid aus Pleystein in der Oberpfalz den Bus. Der Kfz-Sachverständige ist nicht nur Leiter der Zentralwerkstatt der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Sulzbach-Rosenberg, sondern auch ein langjähriger Oldtimer-Sammler und -Restaurateur: Neben fünf BMW, fünf Opel, drei Traktoren und dem Ford TT Bus stehen auch noch ein Ford A sowie drei T-Modelle als Pickup, Center Door und Touring fahrbereit in seinen zwei Hallen in der Stadt mit dem markanten Rosenquarz-Felsen.
Technik und Ausstattung Original-getreu restauriert
Der Model TT Bus war zwar fahrbereit, hatte aber erheblichen Reparatur- und Wartungsstau. Alle Holzteile wurden geschliffen und neu versiegelt. Die neue Dachbespannung erfolgte mit zeitgenössischem Long-Grain-Kunstleder und über neue Federn für die Längs-Sitzbänke und den Fahrersitz kam ein dem Original-Bezug entsprechendes Material.
Vorderräder und Vorderachse brauchten neben wenigen Verschleißteilen nur eine neue Lackierung. Die Hinterräder bekamen neue Speichen aus Hickory und die Hinterachse wurde komplett mit guten Gebrauchtteilen sowie neuen Lagern und Dichtungen überholt. Die Elektrik erhielt neue, stoffummantelte Kabel, zeitgenössische Rückleuchten und Winker sowie Blink- und Bremslichtfunktion.
Am und im Motor sind fast alle Teile noch „wie ab Werk“. Beim Getriebe wurden Bremstrommeln, Bremsbändern und Kupplungsscheiben teilweise erneuert – Spulen und Magnete der Zündung, Vergaser sowie Lichtmaschine und Anlasser aber nur gereinigt. Der stark korrodierte Benzintank musste nachgefertigt werden und der Auspuff wurde durch ein Repro-Neuteil ersetzt. Instrumente, Lenkrad, Lenkgetriebe und Lenksäule erforderten nur optische Aufarbeitung.
Trotz ungewöhnlicher Pedalerie leicht fahrbar
Zwar ist der Bus – „damit er auch ohne Omnibus-Führerscheinklasse D gefahren werden kann“ – nur noch für neun Personen zugelassen, trotzdem aber wohl der einzige über 100 Jahre alte und jederzeit nutzbare Omnibus in Europa. Mit elektrischem Anlasser oder per Kurbel springt er besonders willig an, weil die vier Zündspulen jeweils über einen Winkel von 40 Grad der Kurbelwellenumdrehung Funken abgeben.
Dann ist nur noch die ungewöhnliche Anordnung der Bedienteile zu beachten: Von den drei Fußpedalen betätigt das rechte die Fußbremse, das mittlere den Rückwärtsgang und das linke getreten den ersten oder gelöst den zweiten Vorwärtsgang. Gas wird mit der Hand unter dem Lenkrad gegeben und der große Handhebel links betätigt halb geschwenkt die Kupplung und ganz gezogen die Bremse an der Hinterachse. (autour24/KaSe)