Originalgetreue Replika des Scarabée d’Or sollte nochmal in die Sahara

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Von Karl Seiler

Ein Buch gab die Anregung zum Original-getreuen Wiederaufbau des Citroën B2 10 HP Modell K1, der als „Scarabée d’Or“ zum Jahreswechsel 1922/23 die erste Sahara-Durchquerung mit einem Automobil schaffte – dem jetzt aber die (schon geplante) Wiederholung der Rekordfahrt zum 100-jährigen Jubiläum nicht ermöglicht wurde.

Olivier Masi, heute Präsident des französischen Vereins „Des Voitures & des Hommes“, bekam als Zehnjähriger ein Buch über die erste Sahara-Rallye von Citroën, bei der vom 17. Dezember 1922 bis zum 7. Januar 1923 der „Scarabée d’Or“ zusammen mit vier weiteren Citroën-Halbkettenfahrzeugen in nur 22 Tagen über 3.200 Kilometer von Touggourt (Algerien) nach Timbuktu (Mali) fuhr.

Gemeinschaftswerk von Schülern, Lehrern und Studenten

Ziel der Non-Profit-Organisation „Von Autos und Männern“ ist es, das kulturelle Erbe des französischen Automobils zu fördern. Zu Erhalt und Restaurierung historischer Fahrzeuge kommt aber auch die Weitergabe des Wissens durch die Ausbildung junger Menschen. Mehr als „der Kindheitstraum des Präsidenten“ wurde so verwirklicht, als 2016 im Museum für Kunst und Gewerbe in Paris der Wiederaufbau des „Goldskarabäus“ startete.

Gesteuert durch den Verein, arbeiteten bis 2019 dann 160 Studenten der Kunst- und Handwerksschule (Arts et Métiers) sowie Schüler der Berufsschule Château d’Epluches zusammen mit 50 Lehrern und Aufsichtspersonen rund 50.000 Stunden an dem Projekt. Etwa 1.500 Kilogramm Metall wurden dazu in 11 Produktionsstätten in ganz Frankreich verarbeitet.

Wiederaufbau mit vielen Neu- und wenigen Original-Teilen

Das Citroën Conservatoire erlaubte, eines der beiden noch existierenden Original-Fahrzeuge zu demontieren. Mithilfe hochmoderner Methoden wurden die Teile gescannt oder geröntgt. So entstanden digitalisierte Konstruktionspläne und das Auto konnte nicht nur virtuell, sondern auch real wieder zusammengefügt werden. Insgesamt 1.300 Teile wurden dafür nach historischen Vorlagen reproduziert.

Zusätzlich wurden ein Original-B2-Rahmen sowie ein Original-Vierzylindermotor von Sammlern erworben. Mit klassischer Torpedo-Karosserie vorn und einem vor außen rundum zugänglichen Kastenaufbau aus Aluminium dahinter ist der „neue“ Scarabée d’Or wieder 3,70 Meter lang, nur 1,50 Meter breit und – weil ohne Verdeck – 1,68 Meter hoch.

So ungewöhnliche wie praktische Detail-Lösungen

Für die gelenkten Vierloch-Stahlscheiben-Vorderräder mit Luftreifen an der von Viertelelliptik-Blattfedern abgestützten Starrachse gibt es ein Reserverad am Heck, während Ersatzteile für die über eine starre Hinterachse mit Mitten-Differential an umgekehrten Blattfedern angetriebenen Laufwerke mit frei laufender Scheibe vorn und vier Führungsrollen für die vulkanisierten Gummi-Leinen-Bänder aus einem Stück im Fahrzeug mitgeführt wurden.

Pfiffige Lösungen sind der dritte, mittig hinter Fahrer- und Beifahrerplatz angeordnete Sitz und die seitlich aus der Motorhaube „wie Ohren“ herausragenden Kühler-Verbreiterungen: Dadurch wird das Kühlwasser für den 9 Steuer-PS (etwa 15 kW/20 PS) starken, von einem Solex-Horizontalvergaser mit Benzin versorgtem Vierzylinder mit 68 Millimeter Bohrung und 100 Millimeter Hub auch dann gekühlt, wenn bei langsamer Fahrt – die Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h – der Wüstenwind nur beständig von hinten weht.

Original-getreue Lackierung mit Hilfe von Glasurit

Anhand eines unter dem Wassertank versteckten, kaum vergilbten Lackfragments am ursprünglichen zweiten, verbliebenen Fahrzeug „Croissant d’Argent“ – welches sich im Musée des Cordeliers in St. Jean d’Angély befindet – konnte der Farbton des ursprünglichem Naturharzlacks mit Leinöl und Kopallackanteilen mit Hilfe von Glasurit so gut wie technisch möglich nachgestellt werden. Goldskarabäus

Die erste Schicht des neuen, zweischichtigen Lackiersystems für Nutzfahrzeuge ist eine PU-basierte Stahl-Grundierpaste 568-46. Diese wird mit einem HS-2KCV-Decklack der Reihe 68 eingefärbt und dann auf einen Glanzgrad von etwa 20 Prozent mattiert. Der neue Farbton „Blanc Sahara“ fand auch Aufnahme in die Classic Cars Farbtondatenbank von Glasurit.

Zweimal in Deutschland – aber nicht in der Wüste

Auch das Logo des Goldskarabäus wurde mit dem Spektrophotometer und dem Glasurit COLOR PROFI SYSTEM exakt nachgestellt. Der gesprenkelte Effekt des braunen Hintergrundfarbton wurde mit einem nassen Schwamm direkt nach dem Lackauftrag erzielt. Für die genauen Dimensionen wurden Papierschablonen hergestellt und letztendlich erhielt der Scarabée d’Or sein neues Logo in Streichstruktur vom Künstler Jim Serfass im Citroën Conservatoire.

Auf der Techno Classica in Essen und auf der Automechanika in Frankfurt wurde der Goldskarabäus 2022 außerhalb von Frankreich ausgestellt. Zum Jubiläumsdatum 19. Dezember 2022 bis 7. Januar 2023 plante Citroën eine Neuauflage des Abenteuers mit drei Typen von Fahrzeugen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Der Scarabée d’Or, der 2020 gestartete Nachbau des Croisant d’Argent und ein zu 100 Prozent elektrisches Konzeptfahrzeug sollten werden mit Unterstützung durch Elektrofahrzeuge aus dem aktuellen Citroën-Portfolio erneut – und erstmals elektrisch – die Sahara durchqueren. Aus unbekannten Gründen wurde die Aktion jedoch kurzfristig abgesagt. (autour24/KaSe)

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