Von Kurt Sohnemann
Boltenhagen. „Nun tritt mal in die Pedale Renate“, der Aufruf kommt aus der dritten Reihe des Tretmobils, dass mittels Muskelkraft sechs Personen über einen Fahrradweg befördert, der durch den Deich von Ostsee und Gegenwind getrennt ist. „Wenn auch die Kinder darauf ihren Spaß auf solch einem Mobil haben, weil die Erwachsenen das Treten übernehmen, wird es auch gern von volljährigen Gästen gebucht“, erzählt André Kalfrack, der über 400 Fahrräder unterschiedlicher Bauart an Besucher von Boltenhagen und Umgebung vermietet. Er kennt sich aus im Metier, schließlich hat er als Profi-Radrennfahrer viele Erfolge für das deutsche Team eingefahren, bevor er sich der radelnden Infrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern widmete.
Wer auf zwei oder mehr Rädern vom Hafen in Richtung Kurpark unterwegs ist, bekommt nicht nur einen perfekten Eindruck von der Idylle des Ostseeorts Boltenhagen, er kann auch die Schönheit des Kurparks, der Seebrücke und der kleinen Restaurationsbetriebe am Wege genießen.
Ein Café längs des über fünf Kilometer langen Strandes betreibt die Finnin Pia Lindquist-Franz. Mit finnisch-schwedischem Charme hat sich seit 1997 einen oberen Platz der Gaumenschmeichler erobert. Ihre Mittel sind nordische Spezialitäten, die in deutschen Backstuben sonst nicht zu finden sind.
Aber eigentlich ist der Fisch für die Gourmets der ausschlaggebende Grund, direkt am Fischereihafen von Boltenhagen einzukehren. Während die Köche im Restaurant „Kamerun“ mit ihren Rezepturen begeistern, zieht mit Uwe Dunkelmann einer der wenigen verbliebenen Fischer der Region den Fang mit seinen Stellnetzen an Land. „Auf Poel hat es beispielsweise vor wenigen Jahren noch 60 Berufsfischer gegeben. Jetzt gibt es dort keinen mehr“, bedauert Fischwirtschaftsmeister Uwe Dunkelmann. „Die meisten seiner Kollegen sind eher in den Netzen der Bürokratie hängen geblieben“, wie ein Einheimischer am Tresen der Hafengastwirtschaft beklagt. Viele nicken ihm zu, als die Sprache auf die Fangreglementierungen des Herings kommt. Er wird nur noch im Frühjahr gefangen. Ansonsten kommen Makrele, Aal und Lachs auf die Teller der Gäste.
„Die Fischbestände sind vornehmlich vom Salzgehalt des Wassers abhängig“, fachsimpelt Uwe Dunkelmann und verweist auf den natürlichen Rhythmus der guten und schlechten Jahre im 7-Jahre-Turnus. Als er seinen Kutter wieder im Hafen anlandet, hat er keine Fische dabei. Mittlerweile sind die Touristen ein Erwerbszweig geworden. Die schaukelt er in seinem Trawler über die Ostsee, um ihnen dabei die Zusammenhänge von Fischerei und den begleitenden Umständen zu erklären.
Ansonsten ist Boltenhagen ein idealer Ort, um einen ungezwungenen Badeurlaub anzutreten. Auf den fünf Kilometern Strand bis zum Abschnitt „Weißer Wieck“ können sich die Gäste bestens verteilen und haben die Wahl zwischen FKK-, Hunde- und Textilstränden. Immer dabei die Errungenschaften der Überwasserunterhaltung wie Stand-up-Paddling oder Bootsangebote unterschiedlicher Art.
Wesentlich defensiver lässt sich der Urlaub auf der knapp 42 Autokilometer entfernten Insel Poel verbringen. Ganz bewusst ist der Natur- und Landschaftsschutz hier in den Mittelpunkt gestellt worden. Wie sich das Leben und die Freizeit in der Flora-Fauna-Habitat-Gebieten mit dem Tourismus in Einklang bringen lässt, wird auf Poel vorgezeigt. Die Hotelbauten sind ebenso übersichtlich wie ihre Bettenkapazitäten. Zumeist sind es Wanderer und Pferdefreunde, die es nach Poel mit den 2.500 Einwohnern zieht. In den 15 Ortsteilen sind insbesondere die Ferienwohnungen für die Beherbergung der Erholungssuchenden gelistet. Die Insel in der Wismarer Bucht wird zum großen Teil landwirtschaftlich bearbeitet, wenn die Flächen nicht dem Naturschutz zugeordnet sind.
Kurdirektor Markus Frick: „Wir investieren vornehmlich in die Qualität, die hier den Gästen geboten wird.“ Ein kleiner Hafen ist dabei, um den maritimen Gästen einen angenehmen Aufenthalt auf der Insel mit den 37 Quadratkilometern Größe zu gewährleisten. Da die Insel maximal 6.000 Gäste aufnehmen kann, bemerken die meisten Menschen auf Poel gar nicht, dass hier Tourismus stattfindet. Vielmehr begegnet man hier öfter Pferden, als in anderen Regionen.
Das liegt auch an André Plath und seiner Lebensgefährtin Kristin Köpp. Sie betreiben auf dem Hof eine Pferdezucht aus der kein Geringerer als Spitzenvererber „Chacco Blue“ hervorgegangen ist. André Plath, der bereits zahlreiche Top-Platzierungen mit seinen Springpferden beim Hamburger Derby oder auch in Aachen auf dem CHIO erreicht hat, kann dem Nachwuchs auf dem Hof wertvolle Tipps geben. Immerhin bietet der Hof Plath neben den 7 Ferienzimmern und 3 Wohnungen für Gäste 60 Einstellboxen und eine moderne Reithalle. Seniorchef Georg Plath hält es indes lieber mit der sanften Art der Pferdebewegung und bietet den Gästen Kutschfahrten an.
In dem anerkannten Seebad Poel werden zudem naturkundliche und geologische Führungen angeboten, die in aller Regelmäßigkeit Auskunft über die Bedeutung der Insel geben. Wer hier „vor Anker“ gehen will, muss schon naturverbunden sein, sonst wird er es sein,
wenn er die Insel wieder verlässt. (autour24/kuso)
Weitere Infos: www.ostseeferien.de, www.way2bike.de, www.cafe-lindquist.de, www.boltenhagen.de, www.kamerunweb.de, www.insel-poel.de, www.reitanlage-plath.de