Von Kurt Sohnemann
Weilburg. „Wir sind jetzt seit vier Tagen unterwegs, angefangen bei der Quelle. In Diez soll dann aber Schluss sein“, es sind eher die Urlaubstage, von denen die Fahrradreise längs der Lahn der vier Nürnberger auf ihren E-Bikes begrenzt ist. Nur drei Tage länger, dann ist auch die Mündung des romantischen Flusses in den Rhein bei Lahnstein erreicht. Aber verständlich ist es schon, wenn die Strecke von Balduinstein bis Laurenburg ausgelassen wird. Dort soll in den kommenden Monaten erst ein Radweg gebaut werden. Die Strecke über die 308 Höhenmeter sind derzeit nicht das schiere Vergnügen und werden von einigen Radlern mit der Bahn genommen, sofern die Fahrräder in die Waggons gelassen werden.
Wer sich nicht ganz so viel Zeit für die Lahn genommen hat, dem sei empfohlen, die Strecke in Wetzlar aufzunehmen und sich von der Natur bis Limburg verwöhnen zu lassen. Bei einem Boxenstopp in Weilburg mit Übernachtung ist das eine Kombination für drei Tage von allererster Güte. Auf dem Tachometer sammeln sich durch dieses Vorhaben 68 Kilometer an, die vom seichten Streckenverlauf geprägt sind. Zwar lässt die erste Etappe nach Wetzlar häufiger als gewollt den Blick auf die Lahn vermissen. Die Wegstrecke führt zumeist durch Wiesen und Felder samt kleiner Ortschaften. Aber kurz vor Weilburg beginnt eine Etappe, die bis Limburg von erdrückender Romantik und landschaftlicher Schönheit auf die Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer einwirkt.
Schon die Startposition könnte mit Wetzlar kaum reizvoller sein. Das von Fachwerk geprägte Innenleben der Altstadt bietet viele Möglichkeiten für Spaziergänge, wobei man schon Steigungen absolvieren können sollte, die über das Niveau eines Elbdeiches hinaus gehen. Während das gotische Kirchenbauwerk als unvollendet gilt, was die Wetzlarer nicht daran hindert, trotzdem daran zu werkeln, schmücken viele Gebäude mit gotischen und romanischen Einflüssen die Ränder der engen Gassen. Immer wieder unterbrochen von gastronomischen Betrieben, deren Leben in aller Regel bei Einbruch der Dunkelheit heruntergefahren wird. Wetzlar ist so etwa das Gegenteil von einer Partystadt, ganz nach den Wünschen der Gäste, die hier ihre Ruhe suchen.
In Wetzlar ist man natürlich Stolz darauf, dass Goethe hier vier Monate seines Lebens verbrachte, weil ihn sein Vater zum Juristen machen wollte. Er schrieb lieber an Werken wie „Die Leiden des jungen Werthers“ und bereitete sich auf die Meilensteine der Literatur vor, die er später setzen sollte. Über die „Alte Lahnbrücke“ führt der Fahrradweg malerisch aus der Stadt heraus und gewinnt erst dann wieder an landschaftlicher Faszination, wenn Weilburg nicht weit ist.
Nicht ganz unberechtigt nennt sich die 13.000 Einwohner zählende Kleinstadt Hessens „Perle an der Lahn“. Das barocke Schloss hat in der Lahnschleife einen Großteil der sehenswerten Bauten auf einer Anhöhe um sich versammelt und ist durch einen Torbogen erreichbar, der mit etwas Pariser Charme und ehemals aristokratischer Selbstgefälligkeit behaftet ist. Immerhin bietet der bauliche Rahmen ein optimales Ambiente für die beliebten Schlosskonzerte in Weilburg. Schon der Bahnhof hebt sich außergewöhnlich von den mittlerweile flächendeckend heruntergekommenen Zweckbauten der Bahn ab. In Weilburg werden die Ankömmlinge auf Schienen von einem Gebäude begrüßt, dass an den Filmklassiker „12 Uhr mittags“ ebenso erinnert, wie an mediterrane Lebensfreude. Diese optische Komposition wird von einem italienischen Restaurant abgerundet, über dem sich ein Hotel befindet, das überwiegend von Fahrradfahrern genutzt wird, weil die Haltestelle der Züge optimale Reisekombinationen zulässt.
Nicht nur weil die Nassauisch-Weilburger Grafen die Stadt mit ihrem Schloss geprägt haben, dürfte auch das Leben in den Stadtmauern und die schöne Lage ein Grund sein, dieses Juwel an der Lahn mehr als nur einen Tag zu besuchen. Wenn aber die nächste Etappe auf dem Zeitplan steht, dann führt diese an die wohl schönsten Passagen, die von der Lahn geboten werden. Nicht nur Wassersportler und Angler wissen diese Abschnitte zu nutzen. Auch die Anzahl der Radler auf den gut ausgebauten Wegen nimmt in der Frequenz zu. Das nächste Ziel ist Limburg. Der Ort, geriet vornehmlich jüngst in die Schlagzeilen, weil der ortsansässige Bischof den Begriff der „Lebensfreude“ für sich ungewöhnlich definierte. Da sich ein E-Bike auf die unterschiedlichen Anforderungen der Wegstrecken individuell einstellen lässt, hat auch diese letzte Etappe keine Herausforderungen mit sich gebracht, die nicht von allen Altersklassen auf zwei Rädern gemeistert werden könnten.
Hin und wieder ein paar Schwäne auf der Lahn, weniger Eisvögel und ganz viele Kajakfahrer beleben das Bild in den Sommermonaten. Der kleine Fluss schlängelt sich idyllisch durch die bewaldeten Gebiete, die sich mit Weiden und gelegentlichen Ödflächen abwechseln. Ein Paradies für Fauna und Flora, in dem sich der Mensch auf zwei Rädern nur wohl fühlen kann. Auch die kleinen Orte, die am Wegesrand liegen, werden von vielen Bikern nicht immer unbeachtet als Staffage zur Kenntnis genommen. Häufig bergen sie mehr oder weniger versteckte Cafés oder Restaurationen, die sich recht preisdefensiv das Wohlwollen ihrer Gäste sichern.
Unübersehbar sichert sich Limburg schon früh die Blicke der Radfahrer. Der Grund dafür ist die herausragende Position des Doms. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, wenn er an Tebartz van Elst denkt, der als Bischof nach Rom versetzt wurde, weil er die Kirchengelder nur allzu freizügig für das eigene Wohlbefinden anwendete. „Als die Geschichte publik wurde, war das für uns ein Segen“, erzählt Roman Bender, Gastronom in Limburg. „Die Leute kamen in Scharen und wollten sehen, was der sich alles genehmigt hat.“ Nachdem die Gastronomie dann unter den Corona-Einflüssen gelitten hat, profitierte sie in Limburg später noch einmal von den 9-Euro-Tickets, die so manchen Kurzreisenden in die Stadt an die Lahn führte, der nicht per Auto oder gar mit dem Fahrrad unterwegs sein wollte. Die Exkursion auf dem Drahtesel nach Limburg ist aber jedem zu empfehlen, der seine Nase mit den Düften der Natur füllen möchte und die Augen auf die Schönheiten richtet, die ihm die Lahn bietet. (autour24/kuso)