Von Kurt Sohnemann
Kühlungsborn. Wie ein schnaubendes Walross kämpft sich der Molli die kleine Erhebung zwischen Heiligendamm und Kühlungsborn hoch. Die Belastung für die kleine Dampflokomotive auf der 900er Spur ist nicht kleiner geworden, seit die Waggons mit 9-Euro-Ticket-Touristen gefüllt sind. Aber seit 1886 hat sich der Molli, der seinen ungewöhnlichen Namen von einem Mops übertragen bekam, weil sich dieser ins Gleisbett setzte und von der Besitzerin lautstark gerufen wurde. Er blieb sitzen, die Bäderbahn konnte vom Lokführer rechtzeitig gestoppt werden. So nahm die Geschichte ein glückliches Ende, wie auch die täglichen Fahrten für die Passagiere auf den maximal 15,4 Kilometern. Der Duft der Natur mischt sich mit dem Atem der Dampflock und verbreitet in den Waggons Nostalgie.
Wenn dann der Bahnsteig in Heiligendamm von Menschen überfüllt ist, eine Musikkapelle in Richtung Seebrücke diese Massen hinter sich herzieht, dann ist das jährliche Anbaden angesagt. Es sollte der dritte Samstag im Juni sein, sagt die Chronik. Der Ursprung dieses Rituals führt auf das Geheiß des Großherzogs Friedrich-Franz I. aus dem Jahre 1793 zurück. Er folgte dem Rat seines Leibarztes Dr. Kortüm, der in der kostümierten Folkloreveranstaltung vom Bad Doberaner Chirurgen Dr. Nils Ackermann gespielt wird. Nach dessen Aufforderung, das frische Nass zu nutzen, verfolgen dann Hunderte Gäste verzückt die Situation, in der Einheimische, gehüllt in historischen Badebekleidung, in die Ostsee laufen. Die wartet auf die Wagemutigen nicht immer mit Badewannen-Temperatur.
Die gesamte Zeremonie findet übrigens auf dem großzügigen Grundstück des Grandhotel Heiligendamm statt. Ein Rahmen, der auch vom G7-Gipfel 2007 genutzt wurde. Nach der Insolvenz 2012 erholte sich das bauliche Feudalanwesen wirtschaftlich und bietet heute bis zu 440 Gästen den Raum für opulente Veranstaltungen. Eine Gourmetküche, eine moderne Spa-Anlage und andere Annehmlichkeiten der gehobenen Art werden von Gästen genutzt, die den 220 dienstbaren Geistern das tägliche Brot verschaffen.
Wer nicht mit dem Helikopter kommt, keine Wanderungen im Laubwald-Forst unternimmt, fährt mit dem Molli wieder zurück. Vorzugsweise nach Kühlungsborn, weil dort die Infrastruktur für Jedermann so gut ausgebaut ist, dass es die Gäste oft wochenlang an Strand und auf der Promenade aushalten – nicht nur wegen der guten Luft. Der Yachthafen ist Ausgang und Ziel so mancher Regatta oder eines Segelausflugs, der hier übrigens ganz ohne Führerschein unternommen werden kann. „Das führt am Wochenende häufig zu regelrechten Schauspielen im Hafen. Dann sichern wir uns gern die Plätze an Land, um das Treiben zu beobachten. Auch Wetten werden abgeschlossen“, lacht Skipper Jan Grunwald. Er ist seit Kindesbeinen auf dem Wasser zu Hause und segelt gern Gäste mit seinem Katamaran über die Wellen.
Weniger Wellengang erzeugt der Champagner, den die Gäste des Kultlokals „Edel&Scharf“ zur Currywurst serviert bekommen. Da sich die Stadt Kühlungsborn aus den ursprünglichen Orten Brunshaupten und Arendsee 1937 unter einem Namen zusammengefunden hat, müssen natürlich beide Ortsteile mit den edlen Wurstvergnügungstätten von Hardy Erdmann und Maren Stawowy bestückt sein. „Die Idee ist bei den Gästen sehr gut angekommen“, freut sich Hardy Erdmann über die Entwicklung der vergangenen 17 Jahre und füllt die herzhafte Sauce für begeisterte Feinschmecker in Flaschen zum Mitnehmen, während die Fans von der veganen Currywurst schwärmen.
Wer es in Kühlungsborn etwas weniger hemdsärmelig möchte, kehrt bei Sternekoch Tillmann Hahn ein. Er hat für einige Jahre in Heiligendamm die Kochplatten für das Gourmetrestaurant bedient, bevor er den Schritt in die Selbstständigkeit bis heute nicht bereut hat. Die Abwechslung der Speisenpläne reicht von der Levanteküche über international erlesene Gerichte bis hin zur regionalen Produktveredlung auf elegante Weise. Etwas rustikaler aber gezielt mit heimischen Produkten findet die Kochkunst im Beach Club Hotel statt. Für die Inhaberin Caty Ost, die zuvor Erfahrungen als Ernährungs- und Unternehmensberaterin einsammelte, steht die gesunde Kost im Mittelpunkt einer Küche. Die beweist, dass sich Gesundheit und Geschmack nicht ausschließen müssen. Ganz nebenbei betreibt sie gemeinsam mit Mann und Sohn eine Wassersportschule, wobei der Filius bereits eine achtbare Sammlung von Titeln mit dem Segelboot aufweisen kann.
Dass der Hafen von Kühlungsborn 400 Liegeplätze aufweist, spätestens alle 500 Meter ein gastronomischer Betrieb auf die Versorgung der Besucher wartet und die Promenade 3,5 Kilometer lang ist, deutet auf die Vielfalt an der Ostseeküste in Kühlungsborn hin. Zwei Konzertplätze und 3.000 Strandkörbe können in dem Konzept nicht schaden, wenn es darum geht, sich von den Gästen aus Deutschland und dem nahen Ausland zum wiederholten Male zum beliebtesten Ostseebad küren zu lassen. „Wir haben hier auch den ersten Strandkorb für die Ostsee erfunden. Das war Karl Bartelmann“, ist Stadtführer Klaus Schumacher stolz auf die historischen Meilensteine aus Korbgeflecht. 1882 entstand das Modell für eine betuchte Dame, um sie vor der Sonne zu schützen.
Mit jährlich 2,6 Millionen Übernachtungen von etwa einer halben Millionen Gästen hat die Stadt mit etwa 9.000 Einwohnern seine Kapazitätsgrenze erreicht. „Jetzt wird gezielt in Qualität investiert“, erzählt Kurdirektor Ulrich Langer. Wenn es nach seinen Vorstellungen geht, soll die Seebrücke erweitert werden. Außerdem begrüßt er die Verschönerung der Villa Baltic in der schmucken Häuserzeile parallel zur Promenade, die nach Zeichnungen aus der Gründerzeit errichtet wurde.
Infos unter www.kuehlungsborn.de, www.bad-doberan-heiligendamm.de, www.grandhotel-heiligendamm.de, www.molli-bahn.de, www.edel-und-scharf.com, www.viamar.de, www.beachclubhotel.de, www.tillmannhahn.de und www.ostseeferien.de.