Von Kurt Sohnemann
Güstrow. „Heute bleiben die Skulls mal im Bootshaus“, befindet Käpt’n Torsten Bockentin in seinem hölzernen Kutter, der zeitweise zu Teambildungsmaßnahmen mit diesen von Ruderern bedienten Antriebsmitteln genutzt wird. Stattdessen säuselt ein Elektromotor am Heck des hölzernen Prachtstücks des Bootsbaus. Auf den Bänken genießen regelmäßig Mitfahrer das Plätschern des Wassers im Inselsee, der bei einer Fläche von knapp fünf Quadratkilometern keine knatternden Motoren zulässt. Hier haben die Kräfte der Natur das Sagen. Das Spektrum reicht vom wenig lieblichen Gesang des Graureihers über das Quaken der Frösche bis hin zum Plantschen der eintauchenden Schwimmer, die am Ufer des Inselsees ihre Freizeit in den schmucken Holzhäuschen verbringen.
Der Inselsee, der Güstrow im Süden abgrenzt ist im Naturschutzgebiet gelegen. Eigentlich sind es drei Seen, die von einer Insel unterbrochen sind. Das vorzeigbare Gebäude auf der „Schöninsel“ war einst das Freizeitdomizil von Parteioberen und Devisenjongleuren der ehemaligen DDR. Heute ergänzt die Insel die Ruhezonen, die von Menschen aufgesucht werden, die aus Alltagshektik fliehen und sich schon nach Stunden am Ziel fühlen. Güstrow ist mit knapp 30.000 Einwohnern zwar nicht der Nabel der geschäftigen Welt, wohl aber ein Tipp für Menschen, die sich mit Natur und Kunst umgeben wollen.
Garant für den künstlerischen Part ist neben den Architekten der unterschiedlichen Baustile der Innenstadt jeder Ernst Barlach, der mit seinen Plastiken eine eigene Dimension geformt hat. Das Atelier des 1938 verstorbenen Güstrowers beherbergt heute eine Fülle von Werken Barlachs. Überdies können sich Kunstfreunde im Barlach-Museum und an weiteren Stätten in Güstrow an den Exponaten erfreuen.
Am bekanntesten dürfte die Bronzeskulptur „Der Schwebende“ im Güstower Dom sein. Während die Kunsthistoriker die Gesichtszüge der Zeitgenossin und Freundin Käthe Kollwitz glauben zu erkennen, ist die Güstrower Einwohnerin Hannelore Garloff fest davon überzeugt, dass der Expressionist hier seine Frau Marga widergespiegelt hat. „Ich habe als Kind oft bei ihr gespielt. Sie hatte den gleichen Blick, die gleiche Frisur“, sagt sie unerschütterlich. Bei dem Kunstwerk handelt es sich übrigens um ein Denkmal an die Opfer des ersten Weltkriegs. Unter dem Naziregime hatte Barlach auf verschiedene Weise zu leiden. Die ausführliche Lebensgeschichte macht die leitende Kunsthistorikerin Dr. Magdalena Schulz-Ohm im Barlach-Atelierhaus anschaulich transparent.
Weniger vom berühmtesten Sohn der Stadt als vom Fischbesatz der zahlreichen Gewässer um Güstrow ist Uwe Siekirkowski begeistert. Er ist einer der ganz wenigen Menschen in der Region, die noch vom Fischfang leben. „Es ist zwar nicht ganz leicht, aber ich liebe meinen Beruf und diese unwiederbringlichen Momente in der einzigartigen Natur“, schwärmt der Herrscher über 127 Hektar Wasserfläche, aus der er Zander, Aal, Hecht, Barsch und Schlei auf die Teller der Gourmets zieht. Siekirowski lobt die intakte Natur der Region, die für den Fischreichtum ein Garant ist.
Während Besucher sich in Güstrow an den liebevoll restaurierten Häusern sattsehen können, die von Straßen mit Kopfsteinpflaster durchzogen sind, bleibt ihnen das Schloss noch verborgen. Bis 2023 soll die Sanierung dauern – Einheimische vermuten einen späteren Zeitpunkt, an dem der einstige Sitz Mecklenburger Herzöge wieder in voller Pracht erscheint.
Die eindrucksvollsten Erlebnisse wiederfahren den Besuchern zwangsläufig in der Natur, wenn sie Güstrow besuchen. Breite Wanderwege, die auch von Fahrradfahrern genutzt werden dürfen, säumen die Stadt oder führen zum Heidberg, einer leichten Erhebung am Inselsee. Dort können Boote unterschiedlicher Art gemietet, Bootsfahrten vereinbart werden, die Badestelle ist gleich nebenan, und auch das mittlerweile salonfähige Stand-Up-Paddling bereitet auf dem sauberen Wasser selbst Anfängern Spaß.
Dass am Heidberg diese Fülle der Möglichkeiten zentral geboten wird, ist nicht zuletzt auf die perfekte Lage am ehemaligen Kurhaus zurückzuführen. Das zwischenzeitlich in seiner Substanz gelittene Gebäude hat Erich-Alexander Hinz mittlerweile zu einem sehr ansprechenden Hotel umgebaut. Unterkünfte finden die Gäste in Güstrow in jeder denkbaren Preisklasse. Auch eine Jugendherberge ist in bester Position zum See buchbar. Rar sind lediglich Campingplätze. „Hier sollten wir in der nächsten Zeit noch aufholen“, hat Anett Grabbe als Vorsitzende des Tourismusvereins ein klar definiertes Ziel.
Nicht nur, wer mit Kindern unterwegs ist, sollte sich den Tierpark MV auf die Tagesordnung nehmen. Der Park ist auf jeden Fall ein ganzer Tagesausflug, weil die Gehege für Bären, Wölfe und Co. so weitläufig sind, dass Menschen mit begrenztem Bewegungsdrang besser das Fahrrad für die Besichtigung nehmen sollten. (autour24/ks)