Von Rudolf Bögel, mid
Porsche bezeichnet ihn als „timeless machine“ – als zeitlose Maschine. Der neue 911er kann nicht nur mehr als seine Vorgänger – er kostet auch mehr. Doch wie wird er seinem Anspruch gerecht? Ist er der beste Elfer aller Zeiten? Wir haben das Allradmodell 4S getestet.
Der beste 911er aller Zeiten – das ist der Anspruch der Zuffenhausener Entwickler bei jeder Neuauflage des Klassikers. Das kann nicht in jeder Disziplin gelingen. Aber in einer hat der neue 911er wirklich die Nase vorn. Bei den Beschleunigungswerten übertrifft er alle sein Vorgänger. Schon der einfache Carrera schafft es mit seinen 385 PS von 0 auf 100 in vier Sekunden (mit Sport-Chrono-Paket). Der 4S mit 450 PS kann es sogar in 3,6 Sekunden, mit Sport-Chrono sogar in 3,4 Sekunden. Dass der Sechszylinder-Boxermotor so eine Leistungssteigerung hinlegen kann, hat er vielen kleinen technischen Verbesserungen, aber vor allem einem größeren Turbolader zu verdanken.
Auch beim Fahrwerk setzt der 911er Maßstäbe. Im Normalmodus gleitet er schon fast im Schwebezustand über die Straßen. Und trotzdem spürt man im Hintergrund eine angenehme Straffheit. Das Quäntchen Härte mehr, das einem das Gefühl für die Straße gibt. Aber Dämpfer und Federn können auch anders. Im Sportmodus geht es knackiger zur Sache, mit einer unglaublichen Dynamik, die beim 4S vom Allradantrieb exakt und perfekt auf die Straße gebracht wird.
Auftrag erfüllt könnte man sagen. Denn die achte Generation des Sportwagens sollte die Spreizung zwischen knackigem Sportwagen und bequemer Alltagslimousine besonders gut lösen. In der Tat: Abgesehen davon, dass man seinen Hosenboden tiefer versenken muss als sonst in einem Auto, so komfortabel war ein 911er selten zuvor. Schweres Holzdekor statt metallenem Purismus, duftendes weiches Leder, samtiges Alcantara – alles sieht hochwertig, aus und fühlt sich gut an. Die feine Erotik eines Luxus-Wesens.
Aber wie soll nun ein echter 911er aussehen? „Die Kotflügel müssen an Kanonenrohre erinnern“, sagte einmal Peter Varga, Direktor Exterior Design bei Porsche. Und zwei solcher Kaliber hat auch der neue 911er an Bord. Ein Rohr links, ein Rohr rechts. Schön, wenn die Rohre in die Kurven eintauchen und quasi die ideale Fahrlinie vorgeben. Auch das zweite wesensprägende Merkmal weist Generation acht auf: die rasant nach hinten abfallende Dachlinie. Und dort am Heck haben die Designer dann tatsächlich ein neues, cooles Detail versteckt, das bislang noch kein Elfer hatte. Zwischen den vertikalen Kühllamellen sind die ebenfalls länglichen roten Bremslichter versteckt. Und jetzt zählen! Neun Streben links, dann zwei Bremslichter, die wie die Zahl elf aussehen, dann wieder neun Streben. 9-11-9. So lässig kann man die nüchterne Typ-Bezeichnung eines Autos auch interpretieren.
Stark verändert hat sich das Innenleben des Sportwagens. Auch hier dominieren mittlerweile Bildschirme. Allerdings gilt das nicht für den Drehzahlmesser. Der bleibt schön in der Mitte und funktioniert analog. Etwas mehr Traditionsbewusstsein hätten wir uns auch beim Schalthebel gewünscht. Der ist so klein wie ein Entenbürzel, mit seiner Riffelstruktur auf der Spitze erinnert er mehr an einen Elektrorasierer als an einen Gangwählhebel.
Von einem ganz anderem, aber angemessenerem Kaliber ist der Sound. Hier hat die Sportauspuffanlage nichts verlernt. Trotz Ottopartikelfilter klingt der 911er, wie ein 911er klingen muss. Kultiviert und sonor im Normalmodus. Im Sportbetrieb beherrscht der Porsche gleich mehrere Instrumente: Bass für das Wummern, das tief unten in der Magen-Gegend detoniert, E-Gitarre für die sich steigernden Soli, wenn man aufs Gaspedal tritt. Und schließlich Trompete. Ach was, eine ganze Kapelle von Blechbläsern ist da am Werk, wenn der Sportwagen in die hohen Drehzahlen fährt.
Wer sich dort aus Spaß an der Freude häufiger aufhält, der wird den Normverbrauch von knapp unter zehn Litern natürlich nicht schaffen. Bei unserem Test benötigten wir knapp 13 Liter. Zu groß war die Verlockung, das Orchester im Auspuff spielen zu lassen und das Gaspedal durchzudrücken. Man kann aber auch 16 Liter durch die Verbrennungsräume jagen, zum Beispiel, wenn man auf der freien Autobahn mit Tempo 270 durchzieht. Dann wird aus dem 911er ein wahrer Schluckspecht.
Unser Fazit: Der Porsche 911 gehört auf alle Fälle in die Kategorie „Die schönen Dinge des Lebens“. Zeitlos schön ist sein Design, zeitlos die Urgewalt seines Boxermotors. Und wer findet, dass solche Verbrenner mit viel Leistung nicht mehr zeitgemäß ist, der kann ja Taycan fahren. Im Herzen auch ein 911er, nur elektrisch.
Technische Daten Porsche Carrera 4S: Hubraum: 2.981 ccm, Leistung: 450 PS bei 6.500 U/min, Drehmoment: 530 Nm von 2.300 – 5.000 U/min. Getriebe: 8-Gang Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Antrieb: Allrad. Länge / Breite / Höhe: 4,52 / 2,02 / 1,30 m. Leergewicht / Zuladung: 1.640 / 445 kg. Gepäckraum (vorne): 132 l, Gepäckraumvolumen hinter Vordersitzen: 264 l. 0 auf 100 km/h: 3,6 s, 0 auf 200 km/h: 12,7 s, Spitze: 306 km/h. Normverbrauch: 9,7 l/100 km, Testverbrauch: 12,8 l/100 km. Co2-Ausstoß: 222 g/km. Preis: ab 129.676 Euro.