Abzocke beim e-Auto-Laden: 28,8 kWh kosten 59,85 Euro

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Ladestrom für e-Autos muss nach der Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments seit 1. April 2019 auch in Deutschland „eichrechtskonform“ nach Kilowattstunden abgerechnet werden. Pauschalbeträge oder Abrechnung nach Ladezeit sind nicht mehr erlaubt, werden aber oft noch praktiziert und führten bei mir jüngst mit rund zwei Euro pro Kilowattstunde zu haarsträubender Abzocke.

Ausgangspunkt war Anfang Oktober die 150 Kilometer lange Fahrt mit dem e-Golf von Etzenricht nach Bad Rodach. Dort stand zwar an in der Thermalbadstraße die Ladesäule der Stadtwerke zur Verfügung – deren RFID-Karte war an einem Sonntag aber (verständlicherweise) nicht zu bekommen. So wurde der Ladevorgang ganz einfach mit einer NewMotion-Ladekarte eingeleitet. Das dicke Ende der Aktion folgte aber am 19.11.2019 mit der Rechnung der New Motion Deutschland GmbH: 59,85 Euro inklusive Mehrwertsteuer für 28,8 Kilowattstunden Ladestrom!

Die Stadtwerke Bad Rodach trifft dabei keine Schuld – im Gegenteil: Sie haben sich nicht nur mit einem Aufwand von über 20.000 Euro für die erste Ladesäule im Kurort um die Elektromobilität verdient gemacht, sondern bieten auch einen ausgesprochen günstigen Tarif an: 0,29 € pro kWh (inkl. USt.) entsprechen den üblichen Kosten für einen normalen Haushalt und 0,02 € pro Minute (Standzeit, inkl. USt.) sind zwar etwas umständlich ausgedrückt, mit 1,20 Euro Parkgebühr pro Stunde aber auch nicht überteuert.

Richtig teuer wird der „getankte“ Strom aber bei Benutzung der NewMotion-Karte: Die zur Shell Group gehörende Gesellschaft rechnet nicht direkt mit den Stadtwerken Bad Rodach ab, sondern dazwischen ist als Vertragspartner die deutsch-österreichische Startup-Firma has-to-be mit ihrem Produkt be.ENERGISED („die Software, die so gut wie alle Aufgaben zur Verwaltung von Ladestationen übernimmt“) geschaltet.

Nun weiß has-to-be (und bietet dafür Ladesäulen-Betreibern sogar kostspielige Workshops an), dass seit 1. April 2019 nach dem Mess- und Eichgesetz (MessEG), der Mess-und Eichverordnung (MessEV) und der Preisangabenverordnung (PAngV) elektrischer Strom an öffentlichen Ladestationen nur noch „eichrechtskonform“ abgerechnet werden darf. Das bedeutet, dass die Abrechnungsform jeder Ladestation einheitlich kWh ist, die Messdatensätze zu jedem einzelnen Ladevorgang dauerhaft gespeichert werden und die Abrechnung jederzeit auf Echtheit geprüft werden kann.

Abgerechnet hat has-to-be bzw. NewMotion jedoch nach Ladezeit: 0,13 EUR pro Minute und dabei zählt nicht nur die Zeit, in der der Strom fließt, sondern die gesamte Zeit, während der Ladestation und Auto verbunden sind. In meinem Fall waren dies 344 Minuten und das hätte (für 28,8 kWh) exakt 44,72 Euro ergeben. Abgerechnet wurden jedoch aus nicht zu klärenden Gründen für Öffentliches Laden pauschal 50,00 EUR und dazu noch 0,29 EUR Transaktionsgebühr addiert. Zusammen mit 9,56 EUR MwSt. ergab dies 59,85 EUR Gesamtbetrag.

Nach dem an der Ladesäule veröffentlichten Tarif der Stadtwerke hätte ich mit 8,35 Euro für Strom und 6,88/ Euro Parkgebühr, zusammen also 15,23 Euro rechnen müssen. Auch das wäre für 150 Kilometer kein „billiges, elektrisches Fahren“, sondern genau in der Mitte zwischen den Kosten für Benzin oder Diesel gewesen! Die Stadtwerke Bad Rodach erhielten übrigens über has-to-be exakt 9,22 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, also insgesamt 10,97 Euro – und darin ist sogar der Beitrag für die Parkgebühren enthalten.

So hatte allein die Umwelt einen kleinen Vorteil aus der Nutzung des Elektrofahrzeugs. Weil 55 Prozent des Stroms der Stadtwerke Bad Rodach aus regenerativen Quellen stammen, beträgt dessen CO2-Belastung nur 232 Gramm pro Kilowattstunde – gegenüber 421 g/kWh CO2 im Bundesdurchschnitt. Für die 150 Kilometer Fahrt sind so zumindest 6.682 Gramm CO2 angefallen – mit einem sparsamen Diesel wäre es auch „nur“ gut das Doppelte gewesen. Mein e-Golf fährt eben nicht „CO2-frei“ und mein Geldbeutel wird nur geschont, wenn ich Ladestrom günstig erhalte. (Text und Fotos: Karl Seiler)

2 Kommentare

  1. … und das ist immer noch billig! auch ich bin vorletzte Woche auf den Anbieter Has to be hereingefallen und habe für eine Nachladung von 5,5 KW für 4,68 € netto zusätzlich 36 € für 2:37 Stunden Standzeit bezahlt. Brutto sind das dann in Summe rund 50 €, was einem Kilowattstundenpreis von rund 10 € entspricht. Das halte ich nicht mehr für Abzocke, sondern für Betrug.
    Gibt es eine Behörde, bei der man solche Vorgänge melden kann? Ich halte es für dringend erforderlich, dass solche dubiosen Anbieter aus dem Verkehr gezogen werden, da die e-Mobilität ansonsten scheitert, bevor sie richtig gestartet ist.

  2. … mir ging es genauso 1/2023 mit diesem österreichischem “ Muss so sein“-Laden. Ich stand im Parkhaus meines Hotels, bezahlte dafür Parkgebühr und die wollen nun ca 120.- für rund 50 KWh für die Nutzung der Wallbox auf meinem Parkplatz. Das muss so nicht sein. Ich werde notfalls Klage wegen Wucher einreichen.

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