Eurobike 2019: Mit dem Lastenrad zur Verkehrswende

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Von Walther Wuttke

Lastenräder sind die stillen Helden der Verkehrswende. Während viele Verkehrspolitiker auf elektrische Tretroller setzen, die seit ihrer Einführung mehr Ärger als Wende verursachen, liefern die inzwischen zu Cargobikes beförderten Räder tatsächlich einen spürbaren Beitrag zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrs. Dabei haben die Lastenräder der neuen Generation nichts mehr mit den tonnenschweren schwarzen Rädern gemeinsam, mit denen einst Brötchenjungen die Nachbarschaft versorgten.

Der Trend zu Cargobikes spielt daher auch auf der Eurobike (4.–7.9.2019) in Friedrichshafen eine bedeutende Rolle. Die Messe, einst als Veranstaltung für sportliche Fahrräder gestartet, reserviert den Herstellern eine Sonderfläche, auf der 32 Spezialisten ihre Lösungen für eine CO2-freie Logistik präsentieren. Verantwortlich für den Höhenflug des eigentlich betagten Segments ist die Elektrifizierung der Räder, so dass auf den Bikes inzwischen auch schwere Lasten und Werkzeuge leichter transportiert werden können. In vielen Städten setzen Lieferdienste seit einiger Zeit auf die elektrifizierten Transportfahrräder und entlasten dadurch den Verkehr.

„Als wir im Jahr 2012 als einer der ersten Hersteller ein E-Cargo-Bike in der Modellpalette hatten, war noch kein wachsender Markt erkennbar. Seitdem hat sich viele getan, und wir verzeichnen jedes Jahr einen hohen Anstieg im Cargo-Bereich“, bilanziert Jörg Lange, Kommunikationschef des deutschen Premiumanbieters Riese und Müller. Im vergangenen Jahr hat der Zweirad-Industrieverband (ZIV) die Cargobikes erstmals als eigenständiges Segment ausgewiesen, das aus dem Stand einen Marktanteil von vier Prozent erreichte. Rund 40 000 Lastenräder wurden im vergangenen Jahr abgesetzt – und das obwohl die Räder zwischen 4000 und 8000 Euro kosten. „Cargobikes, und da vor allem die Räder mit Elektroantrieb, gehören nach unseren Beobachtungen zu den am schnellsten wachsenden Produktkategorien im deutschen Fahrradmarkt,“ erklärt ZIV-Sprecher David Eisenberger.

Inzwischen hat das Cargobike vor allem im urbanen Bereich bei vielen nachhaltig orientierten Zeitgenossen den Zweitwagen abgelöst. Mit den Rädern werden Kinder in den Kindergarten transportiert und am Wochenende der Einkauf erledigt. In zahlreichen Städten wird die Anschaffung der Räder finanziell unterstützt. Baden-Württemberg zum Beispiel unterstützt mittelständische Unternehmen mit 30 Prozent oder 3000 Euro, wenn sie vom Lieferwagen auf das Cargobike umsteigen, und die Stadt Köln übernimmt bis zu 50 Prozent der Anschaffungskosten, wenn sich Unternehmen, Vereine oder private Zusammenschlüsse von mindestens drei Parteien zum Umstieg auf ein Lastenräder entschließen.

Auch die großen Logistikunternehmen wechseln zunehmend auf Cargobikes für die Auslieferungen in den Innenstädten. Handwerker schließlich setzen auf die elektrischen Lastenträger, wenn sie Aufträge in den Innenstädten erledigen müssen, um so lange Parkplatzsuchfahrten zu vermeiden. Allerdings zeigen sich hier zugleich auch die Grenzen der Fahrzeuge: Eine Waschmaschine lässt sich so (noch) nicht zum Kunden bringen.

Auf der Eurobike zeigen neben den Pionieren aus den Niederlanden und Dänemark auch neue Unternehmen wie das unter dem Dach der Händlerorganisation ZEG gegründete Start-up A-N.T, das vor allem kommunale und gewerbliche Anwender als Zielgruppe erkannt hat. Neben den professionell eingesetzten Modellen und Familientransportern mit Platz für bis zu drei Kindersitzen kommen auch zunehmend Modelle mit kürzeren Radständen auf den Markt, die sich wesentlich leichter dirigieren lassen. Denn Lastenräder verlangen vor der ersten Fahrt nach einem Training, um die ungewohnte Fahrdynamik zu verinnerlichen. Ein Rad mit langer Ladefläche verlangt ganz andere Steuertechnik als ein Tourenrad.

Zu den Vertretern der kompakten Lastenräder gehört zum Beispiel das neue Cargo N3.8 ZR von „i:SY“, das trotz der vor dem Fahrer montierten Ladefläche nur knapp zwei Meter misst. Der Faltradspezialist Tern zeigt auf der Eurobike sein jüngstes Modell HSD, das so kompakt ausgelegt ist, dass es auch in beengten Verhältnissen Platz sparend abgestellt werden kann. Dank der Erfahrung bei Falträdern lässt sich bei dem Rad der Lenker umlegen, die Sattelstütze versenken und das Rad hochkant abstellen. Das Frankfurter Start-up Convercycle zeigt in Friedrichshafen ein Lastenrad, das sich bei Bedarf zu einem Rad mit „normalen“ Abmessungen falten lässt. (ampnet/ww)

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