Jaguar-Testfahrer-Legende Norman Dewis gestorben

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Norman Dewis, der unzähligen Jaguar-Modellen als Cheftester den letzten Schliff verpasste, ist im Alter von 98 Jahren gestorben. Während seiner 33 Jahre bei Jaguar in Coventry stieg der furchtlose und extrem talentierte Dewis zum berühmtesten englischen Testfahrer auf. Kein Fahrwerks-Malus entging seinem sensiblen Popometer – erst wenn Norman sein „Okay“ gab, durfte ein neuer Jaguar in Serie gehen.

Dewis, Träger des „Order of the British Empire“, blieb der Marke Jaguar bis zum Schluss eng als Markenbotschafter verbunden. Als Geschichtenerzähler bezauberte er auch deutsche Jaguar-Liebhaber, die ihn beim Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring oder bei den Classic

Days auf Schloss Dyck erlebten. So erzählte er zum Beispiel, dass er auch nach schweren Unfällen die Liebe zum Auto nie verloren hat. Ein Unglück ereignete sich im Januar 1971, als Jaguar den Testfahrer für einen Promotion-Film reaktivierte. Bei 220 km/h brach in einer Steilkurve die hintere rechte Felge, der XJ13 überschlug sich mehrmals. Norman Dewis blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Seine Tochter Linda bat ihn danach, „bitte nie mehr in dieses Auto zu steigen.“ Aber er konnte ihr dieses Versprechen nicht geben: „Meine Liebe und Zuneigung zu diesem Auto sind einfach zu groß“, sagte damals Dewis.

Der am 3. August 1920 in Coventry geborene Dewis verließ nach dem frühen Tod des Vaters die Schule und begann schon mit 14 Jahren an Autos zu arbeiten – bei Humber montierte er Kotflügel und Motorhauben. Mit 15 wechselte er zu einem anderen Autobauer, Armstrong Siddeley, wo er in der Fahrwerksabteilung tätig war und bei Abstimmungsfahrten erstmals das Autofahren erlernte. Im Krieg wurde Dewis zur RAF eingezogen, wo er den Geschützturm von Blenheim Bombern bediente. Nach dem Krieg und einer kurzen Episode bei Lea-Francis begann am 1. Januar 1952 seine 33 Jahre lange Karriere bei Jaguar.

Neben den vielen Modellen, die Dewis in dieser Zeitspanne entscheidend mitentwickelte, übte eines seiner ersten Projekte ohne Zweifel den größten Effekt auf die Entwicklung der Automobiltechnik aus: die Scheibenbremse. Dewis wurde eingebunden in die Erprobung dieses von Jaguar zusammen mit Dunlop erdachten revolutionären Bremssystems – unvergessen der Testeinsatz eines C-Type mit Scheibenbremsen bei der Mille Miglia von 1952 – mit Stirling Moss als Fahrer und Dewis als Co-Pilot.

1953 war es dann Dewis selbst, der in einem modifizierten Jaguar XK120 auf einem gesperrten Teilstück der belgischen Autobahn bei Jabekke mit 277,41 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord für Seriensportwagen aufstellte. Beim dramatischen 24 Stunden-Rennen von Le Mans 1955 fuhr neben Renngrößen wie Hawthorn, Moss und Fangio einen über 300 km/h schnellen D-Type. Als Ersatzmann unverhofft eingesprungen, lag er auf Platz vier, bis sein Partner Don Beauman den Jaguar kurz nach Mitternacht in die Sandbank der Arnage-Kurve setzte.

Jaguar Werksfahrer Mike Hawthorn gehörte zu jenen, die Dewis Urteil nahezu blind vertrauten. Kam er zu einer Trainingsfahrt an die Strecke und sah, dass Dewis schon eingetroffen war, fragte er den Teammanager: „Warum bin ich hier? Wenn Norman zufrieden ist, bin ich es auch.“ Und so kam es, dass durch gegenseitigen Respekt und spontane Sympathie Dewis lebenslange Freundschaften zu Hawthorn, Moss oder später auch zu Jackie Stewart aufbaute.

Neben den Rennwagenentwicklungen wurde Norman Dewis auch durch seine legendäre Hauruck-Aktion im Rahmen der Weltpremiere des Jaguar E-Type 1961 auf dem Genfer Salon bekannt. Sir William Lyons orderte aufgrund des großen Ansturms auf das neue Modell einen weiteren E-Type von Coventry nach Genf. Norman Dewis machte sich auf den Weg und legte die 1100 Kilometer nach Genf in nur 15 Stunden zurück – bis aufs Tanken nonstop, eine in der Zeit ohne Autobahnen beeindruckende Leistung.

In einer Ära ohne Sicherheitsgurte und Crashsicherheit gab sich Dewis furchtlos. Alles in allem spulte er geschätzt über 1,6 Millionen Testkilometer mit Geschwindigkeiten von über 160 km/h zurück. Seien es ein D-Type, den er bei Tests mit Glasfiber-Paneelen aufs Dach legte oder Überschläge mit dem XJ13 bei Hochgeschwindigkeitsfahrten – der unzerstörbare Dewis mit der Statur eines Jockeys kroch jedes Mal ohne Kratzer aus dem Wrack, erzählte seiner Frau nichts davon und ging am nächsten Tag zurück zur Arbeit. (autour24)

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