Von Klaus H. Frank
Es gibt immer ein erstes Mal. Und davor haben die meisten Menschen ziemlich Bammel. Meist allerdings unbegründet, wie zum Beispiel „das erste Tank-Erlebnis“ mit einem Seat Leon ST TGI an einer Erdgastankstelle. Absurde Gedanken schießen dem Erdgas-Neuling durch den Kopf. Ist das auch alles wirklich sicher, besteht Explosionsgefahr, wie betankt man das Fahrzeug und wie wechselt man von Gas auf Benzin? Im Nachhinein aber stellt sich heraus: All dies sind überflüssige Sorgen. Fahren mit Erdgas, CNG (Compressed Natural Gas) genannt, ist kaum anders als mit Benzin oder Diesel, dafür aber deutlich umweltschonender und preiswerter.
Und damit jedermann, was die Sicherheit betrifft, auch beruhigt ist, noch Folgendes: Die CNG-Seat-Gastanks werden nach den höchsten Branchenstandards konstruiert, produziert und zertifiziert. Sie sind mit einem Sicherheitsventil ausgestattet, das im höchst unwahrscheinlichen Fall eines technischen Problems dafür sorgt, dass das Gas auf kontrollierte Weise abgelassen wird. Dort verflüchtigt es sich in der Luft nach oben und sammelt sich nicht am Boden. CNG-Modelle dürfen deshalb auch in Tiefgaragen parken. Alle Bauteile des Gastanks sind so ausgelegt, dass sie extremen Bedingungen standhalten. So herrscht im Tank maximal ein Druck von etwa 200 bar, zugelassen ist er bis zu 600 bar – also für die dreifache Belastung. Beruhigt?
Und wie sieht es mit dem Tankstellen-Netz aus: Zurzeit gibt’s rund 900 Erdgas-Tankstellen. Das reicht zwar aus, aber doppelt so viele wären besser. Seat hat sich jedoch mit einigen Partnern das Ziel gesetzt, das deutsche CNG-Tankstellennetz bis 2025 auf rund 2.000 Stationen auszubauen.
Seat Leon TGI: Tanken ganz einfach
Wir testen den Seat Leon ST TGI und lesen erstmal die auffällig an der Zapfsäule angebrachte „Gebrauchsanleitung“, bevor wir uns ans Tanken wagen. Die CNG-Einfüll-Öffnung finden wir unter dem Tankdeckel direkt neben dem Benzin-Einfüllstutzen. Die meisten Zapfsäulen sind mit einer sogenannten Füllkupplung mit Hebel ausgestattet. Und diese Kupplung wird auf den Einfüll-Stutzen des Gastanks am Fahrzeug gesetzt und mit einer 180-Grad-Drehung des Griffs verbunden und verriegelt. Das ist bombensicher. An der Tanksäule blinkt jetzt ein grüner Knopf und signalisiert – alles paletti, der Tankvorgang läuft. Die Betankung stoppt automatisch, wenn der 15-Liter-Gastank voll ist.
Seat Leon TGI: Phantastische Reichweite
So, der wichtigste Schritt, das Tanken, ist geschafft. Und wie steht’s mit dem Fahren. Zuerst ein paar technische Details: Der Seat Leon TGI fährt mit einem bivalentem Triebwerk. Das heißt: das 1,4-Liter-Triebwerk mit 110 PS läuft sowohl mit Erdgas als auch mit normalem Benzin. Deshalb besitzen diese Modelle auch zwei Tanks. Einen mit 13 Liter für das Erdgas und einen für Benzin mit 40 Litern Volumen. Der Benzintank ist quasi die Reserve, sollte sich das Erdgas nach etwa 400 Kilometern Fahrt dem Ende zu neigen. Werden beide Tanks bis zum Ende „ausgelutscht“, dann schafft der Seat Leon TGI die phantastische Reichweite von rund 1300 Kilometern. Das heißt: Die Strecke vom oberfränkischen Hof bis in die italienische Hauptstadt Rom ist kein Problem. Genauso wenig wie die Distanz von Hof bis nach Oslo.
Eine Ausgeburt an Temperament ist der Spanier allerdings nicht. 110 PS und 200 Nm maximales Drehmoment zwischen 1500 und 3500 Touren sind weniger zum sportlichen Fahren als zum Cruisen geeignet. Und dazu passt ganz hervorragend das 7-Gang-DSG (Aufpreis 1700 Euro), das Schaltvorgänge so sanft erledigt, als würden sie gar nicht stattfinden. Den Sprint auf 100 macht der Seat Leon TGI in elf Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 194 km/h. Und ein Vergleich mit den Diesel- und reinen Benzin-Geschwistern zeigt, dass alle etwa auf gleichem Niveau liegen: Der 110 PS starke 1.2 TSI im normalen Seat Leon ST erledigt den 0-100-Spurt in 10,1 Sekunden und in der Spitze ist er 191 km/h schnell. Der 115 PS starke 1.6 TDI schafft in den gleichen Disziplinen 9,9 Sekunden und 197 km/h. Übrigens: Der Fahrer muss keinen Finger rühren, wenn vom Gasbetrieb auf Benzin umgestellt wird. Das macht das TGI-Modell ganz automatisch, ohne dass davon etwas bemerkt wird. Lediglich im Display kann der Fahrer ablesen, in welchem Modus er sich befindet und welche Reichweite mit welchem Kraftstoff er noch hat.
Seat Leon TGI: Günstiger als Benziner
Was jeden Autofahrer wohl brennend interessiert sind die Kosten und die Umweltverträglichkeit der Erdgas-Fahrzeuge. CNG- Motoren stoßen im Vergleich zu normalen Verbrennungsmotoren bis zu 25 Prozent weniger CO2 und bis 95 Prozent weniger Stickoxide aus. Außerdem emittieren sie weniger Feinstaub und 50 Prozent weniger Rußpartikel als ein Diesel oder 99 Prozent weniger als ein Benziner. CNG-Fahrzeuge erreichen so problemlos die Abgasnorm Euro6. Und die Betriebskosten? Die steuerlich begünstigten CNG-Fahrzeuge sind im Praxisbetrieb etwa 30 Prozent günstiger unterwegs als ein Diesel und rund 55 Prozent günstiger als ein Benziner, rechnet Seat vor.
Der direkte Vergleich an der Tankstelle ist etwas schwierig, da die Preise für Erdgas in Kilogramm angegeben werden, für Benzin wie üblich in Liter. Ein Kilo Erdgas kostet zurzeit etwa 1,10 Euro, ein Liter Super-Benzin etwa 1,45 Euro. Das heißt: Bei einem Erdgas-Normverbrauch für den Seat Leon TGI von 3,7 Kilogramm kosten 100 Kilometer Fahrt 4,07 Euro. Beim Benzin-Normverbrauch von 5,2 Liter liegen die Kosten bei 7,54 Euro für 100 Kilometer. Übrigens: CNG verbrennt aufgrund seines höheren Energiegehalts effizienter als herkömmlicher Kraftstoff. Ein Kilo Erdgas liefert im Vergleich zu einem Liter Super-Benzin etwa anderthalb mal so viel Energie.
Seat Leon TGI agil wie alle Geschwister
Im praktischen Fahrbetrieb muss der Leon-ST-Fahrer keine Einbußen hinnehmen, wenn er sich für ein Erdgas-Modell entscheidet. Obwohl das TGI-Modell schwerer ist (ca. 160 Kilo) als beispielsweise der Benziner, fährt er genauso agil. Der Kofferraum reduziert sich zwar von 587 auf 482 Liter (bei umgelegter Rückbank von 1.470 auf 1.365) – der einzige Nachteil der dem zusätzlichen Tank geschuldet ist. Bei der Ausstattung ist der Seat Leon ST TGI in Sachen Komfort- und Fahrassistenzsysteme voll auf der Höhe der Zeit und außerdem mit MirrorLink, AndroidAuto und Apple CarPlay optimal vernetzt.
Erfreulicherweise gibt es beim Preis keine unliebsamen Überraschungen. Der Seat Leon ST TGI liegt in der Basisausstattung Style mit Sechsgang-Handschaltung bei 24.560 Euro. Der reine Benziner (ebenfalls 110 PS) kostet 22.060 Euro. Der Unterschied der beiden liegt also bei lediglich 2500 Euro.
Fazit: Wer sparen will, kann sich nur für ein CNG-betriebenes Fahrzeug entscheiden. Wichtig dabei: Ausschließlich Erdgas nutzen und möglichst nicht Benzin, denn dann ist der Spareffekt weg. Ziemlich unverständlich ist es, warum nicht größere CNG-Tanks und kleinere Benzin-Tanks eingebaut werden. Das Sparpotential wäre dann deutlich größer. (autour24/khf)