Die 18. Ausgabe der Stuttgarter RETRO CLASSICS war für Veranstalter, Aussteller und Besucher, nicht zuletzt wegen der auf insgesamt 140.000 Quadratmeter vergrößerten Ausstellungsfläche, ein voller Erfolg. Obwohl die weltgrößte Oldtimermesse zeitgleich mit der Techno Classica in Essen stattfand, kamen mit rund 87 000 Oldtimer-Fans kaum weniger Besucher als 2017.
Das Einzugsgebiet der RETRO CLASSICS vergrößerte sich abermals: Etwa 15 Prozent der Besucher kamen nicht nur aus der Schweiz, Österreich, Frankreich und Italien, sondern erstmals auch aus Australien oder Singapur. Im Fokus des Interesses standen neben Fahrzeugverkaufsbörse, Teilemarkt, Sonderschauen und historischen Fahrzeugen auch Youngtimer und Neo Classics. Zwar ist ein großer Teil der Retro-Besucher bereits Oldtimer-Besitzer, doch gaben 18 Prozent der Befragten an, sie wollten ihren Bestand erweitern.
Unter dem Motto „Passion for Movement“ präsentierte Saulius Karosas ausgewählte automobile Schätze. Der Mechaniker, Ingenieur, Unternehmer und Stiftungsgründer gilt als reichster Mann Litauens und ist in Oldtimer-Zirkeln vor allem als bedeutender Sammler und Restaurator seltener Vorkriegs-Modelle ein Begriff. In der neuen Halle 10 zeigte die hochkarätige „SK Oldtimer Collection“ mehr als 40 außergewöhnliche Exponate aus der Automobilgeschichte in Mitteleuropa und darüber hinaus gut ein Dutzend vornehmlich russischer Modelle.
Anfang des 20. Jahrhunderts griff man im Automobilbau wegen seiner vielseitigen Verwendbarkeit und einem – etwa im Vergleich zum Nickel – günstigen Preis gern zum Messing. Der Verein RetroClassicCultur zeigte eine einzigartige Ausstellung: Unter sechs Fahrzeugen aus der sogenannte „Brass Era“ waren ein Wolseley und ein Rover 6 jeweils Baujahr 1906 sowie als weiteres Paradebeispiel damaliger Handwerkskunst ein knapp 20 PS starker 1912er Ford Model T-Touring mit 4 Zylindern. Goldener Glanz auf zahlreichen Bauteilen wie Kühler, Lampen oder Spiegeln zierte auch die drei T-Modelle, die der Oldtimerstadel von Alfons Aubele aus Pfaffenhofen/Bayern präsentierte.
Neo Classics gelten aufgrund von Ausstattung, Konzept, Design oder Seltenheitswert schon heute als Klassiker. Ein luxuriöser Vertreter dieser Sparte ist der Mercedes-Benz CLK 500 Armani: Das 2003 vorgestellte, auf 100 Stück limitierte Sondermodell verbindet deutsche Technik mit italienischem Flair. Nur zehn Exemplare der in einem matten Sandton lackierten Edition gelangten auf den deutschen Markt und eines davon bot Löhlein Classics aus Wendelstein bei Nürnberg an.
Die ersten Vertreter der Achtziger Jahre sind bereits Oldtimer. In der Sonderschau „Tribute to the 80s“ präsentierte der hessische Sammler Ralf Weber als Eighties-Klassiker einen 1983er Mercedes-Benz Coupé 380 SEC aus der Münchener Tuning-Schmiede von Willy Koenig und einen Zender Mercedes-Benz Kombi 560 SEL von 1987. Eine schillernde Legende der frühen Achtziger ist auch der BMW M1: Von 1978 bis 1981 produziert, beeindruckte der technisch ausgefeilte Supersportwagen mit überlegenen Fahreigenschaften und einer Leistung von 204 kW/277 PS. Die Geschichte des wohl bekanntesten BMW war in der Sonderschau „40 Jahre BMW M1“ des Sigmaringer BMW-Spezialisten Revo Klassik erlebbar – mit Exponaten, die von BMW France in der Procar-Serie und in Le Mans eigesetzt wurden. .
Im bayrischen Reichertshofen hegte Käfer-Spezialist Georg Memminger lange den Wunschtraum von einem selbst konstruierten Fahrzeug. Das Ergebnis ist als Weltpremiere auf der RETRO CLASSICS der 154 kW/210 PS starke Memminger Roadster 2.7 mit luftgekühltem Vierzylinder-Boxermotor im Heck – ein auf den ersten Blick naher Seelenverwandter des VW Käfer und doch ein durch und durch eigenständiges Fahrzeug. Bei 4,04 Meter Länge und 1,73 Meter Breite beträgt die Höhe nur 1,25 Meter. Am Rohrrahmen unter der Karosserie aus mit Glasfaser bzw. Kevlar verstärktem Kunststoff werden vorn Federbeine und hinten die Schräglenkerachse des Porsche 944 montiert. Auf ATS-Felgen kommt dazu 18-Zoll-Mischbereifung – 225/45 vorn und 255/40 hinten.
Text und Fotos: Karl Seiler