Wenn die Techno Classica in Essen vom 21. bis 25. März 2018 zum 30. Mal ihre Pforten öffnet, ist auch Seat vertreten. Bei der weltgrößten Messe für klassische Automobile zeigt der spanische Automobilhersteller nicht nur seltene Modelle aus der eigenen Markengeschichte. An seinem Stand widmet sich Seat auch dem Thema Restaurierung.
So gewährt die Marke in Essen authentische Einblicke in die aufopferungsvolle Arbeit der „Seat Coches Históricos“, dem werkseigenen Restaurierungsteam von Seat, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Barcelona, der Mutterstadt der Marke, automobile Ikonen aus der eigenen Geschichte in zeitintensiver Handarbeit wieder in einen Topzustand zu versetzen. Anhand eines Srat 600 in zwei sehr unterschiedlichen „Aggregatzuständen” demonstriert das werkseigene Restaurierungsteam auf der Techno Classica eindrucksvoll, was es zu leisten imstande ist.
Bester Beweis für die handwerklichen Fertigkeiten und die leidenschaftliche Detailarbeit, die die Seat Restauratoren in der Zona Franca der spanischen Metropole an den Tag legen, ist ein frühes und komplett restauriertes Exemplar des Seat 600, das in Essen sicher einer der automobilen Stars am Stand von Seat sein wird. Flankiert wird es von zwei weiteren historischen Modellen, die beide auf diesem beliebten Fahrzeugtyp basieren, sich jedoch in sehr unterschiedlichem Zustand befinden.
An einem grün lackierten Exemplar eines frühen Seat 600 von 1957 zeigt sich beispielhaft die große Leidenschaft und Hingabe, die der Fahrzeughersteller aus Martorell für seine lange Geschichte und automobile Tradition aufbringt. Die aufwendige Rundum-Restaurierung des im Volksmund liebevoll „Bällchen“ oder „kleiner Seat“ genannten Modells, das den flächendeckenden Aufbruch Spaniens ins automobile Zeitalter ab den späten 1950er-Jahren entscheidend vorantrieb, nahm ein ganzes Jahr in Anspruch. Es wurden keine Kosten und Mühen gescheut, um das Auto wieder in den Originalzustand zu versetzen, in dem es auf der Essener Messe ausgestellt wird.
Wahrscheinlich handelt es sich dabei sogar um das besterhaltene Exemplar eines Seat 600, das der spanische Fahrzeughersteller in seiner markeneigenen Oldtimer-Sammlung vorweisen kann – zusammen mit einem Exemplar aus der vorletzten Fertigungsserie: einem 600 L aus dem Jahr 1973 im Auslieferungszustand.
Ein Karosseriemerkmal am Seat 600 N sticht besonders heraus und unterscheidet das frühe Modell auf den ersten Blick von den späteren Versionen D, E und L: die Blinker auf den vorderen Kotflügeln, die beim 600 D – zusammen mit einer Chromzierleiste – seitlich und nicht frontal angebracht sind. Außerdem verfügt der 600 N über sogenannte „Selbstmördertüren“, die nicht vorne, sondern hinten angeschlagen sind. Dieses Merkmal wurde beim Nachfolger 600 D aus dem Jahr 1963 noch beibehalten, wohingegen sich die Türen der späteren E- und L-Modelle aus den 1970er-Jahren „richtig herum“ öffnen ließen.
Der „normale“ 600 war auch deswegen einzigartig, weil er von einem schlichten, aber nahezu unverwüstlichen, 21,5 PS leistenden Heckmotor mit 633 cm3 Hubraum angetrieben wurde, der für eine Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h gut war – alle Nachfolgerversionen wiesen mit 767 cm3 einen größeren Hubraum und mehr Leistung auf.
Als zweites Fahrzeug zeigt Seat auf der Techno Classica den Scheunenfund eines seltenen 600 Comercial, sprich: die Nutzfahrzeug-Variante. Das in Essen ausgestellte Fahrzeug ist gleich aus zweierlei Gründen interessant: Zum einen zeigt es auf authentische Weise den extrem schlechten Zustand, in dem sich klassische Automobile heute mitunter befinden, wenn sie viele Jahre in der hintersten Ecke einer Lagerhalle oder einer Garage unbeachtet dem Verfall preisgegeben waren. Glücklicherweise wurden mehrere Exemplare vom Seat 600, auf welche die Beschreibung „Scheunenfund“ voll und ganz zutrifft, inzwischen durch glückliche Umstände entdeckt und liebevoll wiederhergerichtet.
Zum anderen ist der 600 Comercial „von Hause aus“ ein sehr seltenes Modell, da von ihm nur etwa 18.000 Stück gebaut wurden. Die Karosserie blieb in der Nutzfahrzeug-Ausführung unverändert, jedoch gibt es im Innenraum keine Rücksitze, um mehr Laderaum zu schaffen.
Die hinteren Seitenscheiben wurden zudem durch Metallplatten ersetzt, die in Wagenfarbe lackiert waren. Außerdem wies das Fahrzeug an den Seiten keine Chromleisten auf. Das Comercial-Modell war billiger als die Standardausführung des 600 – unter anderem deshalb, weil keine Luxussteuern darauf erhoben wurden. Da es auch leichter als die zeitgenössische Pkw-Variante des Seat 600 D war und von demselben 25-PS-Motor mit 767 cm3 Hubraum angetrieben wurde, war es – zumindest unbeladen – sogar schneller.
Bis heute sind nur ganz wenige Exemplare dieses besonderen Modells erhalten geblieben, da es als Nutzfahrzeug einer viel höheren Beanspruchung ausgesetzt war als ein Familienauto. Die meisten Fahrzeuge wurden am Ende ihrer Nutzungsdauer verschrottet, weil die Besitzer – und auch zeitgenössische Sammler – diese Fahrzeuge seinerzeit nicht als erhaltenswerte Klassiker einstuften. Somit ist der in Essen gezeigte Scheunenfund sogar als ein wertvoller Vermögensgegenstand zu betrachten – in finanzieller wie ideeller Hinsicht.
Der Lieferwagen „Formichetta“ (spanisch für „kleine Ameise“) gehört zu den jüngsten Neuzugängen der Seat Oldtimer-Kollektion. Er wurde von Seat Coches Históricos vollständig restauriert und im Originalfarbton des offiziellen Seat Pannendiensts der 1960er-Jahre lackiert, mit einem breiten tiefroten Band entlang der Seiten und weißer Beschriftung, die auf seine besondere Zweckbestimmung hinweist. Das Fahrzeug basiert ebenfalls auf dem Seat 600 D und weist es zur Optimierung des Laderaums eine große Kastenform, ein höheres Dach und einen verlängerten Radstand auf.
Das Fahrzeug war außerdem einen halben Meter länger als die 3,22 Meter messende Standardversion des Seat 600 D. Es verfügte über zwei große Hintertüren, die in derselben „verkehrt herum“ angeschlagenen Ausführung daherkamen wie die Vordertüren. Hinzu kam eine fünfte Tür am Heck, die zweigeteilt war: Über den oberen Teil war der 1,61 m3 fassende Laderaum zugänglich, über den unteren Teil konnte man auf den Motor zugreifen. Das Fahrzeug konnte Lasten bis zu 250 kg transportieren, plus Fahrer und einem Beifahrer.
Insgesamt wurden nur etwa 7.500 Exemplare des Seat 600 Formichetta gebaut sowie fast 10.000 weitere Fahrzeuge dieses Typs – diese dann allerdings auf der Basis des später folgenden 600 E. Ebenso wie beim Seat 600 Comercial sind diese Modelle aufgrund der geringen Produktionszahlen und der wenigen bis heute erhaltenen Exemplare sehr selten und daher entsprechend wertvoll.