Der offene Personenwagen, in dem 1914 der Österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Herzogin Sophie von Hohenberg in Sarajevo erschossen wurden, gehört zu den wichtigsten Objekten des Heeresgeschichtlichen Museums im Wiener Arsenal. Weil die sich an den Doppelmord anschließende Krise letztendlich in den Ersten Weltkrieg führte, ist das im Original-Zustand erhaltene Automobil wohl der geschichtsträchtigste Oldtimer der Welt.
Der Motorwagen 28/32 der „Wiener Automobilfabrik AG vorm. Gräf & Stift“ wurde 1910 für 15.500 Kronen (entspricht heute etwa 77.000 €) an Graf Franz Harrach als Fahrgestell inklusive Bereifung ausgeliefert. Sein 5,9-Liter-Vierzylinder leistete 32 PS bei 1.400 Umdrehungen pro Minute und hat hängende Ventile mit offenen Federn. Neben einer Zentralschmierung und einem Drosselschieber-Vergaser gab es eine Bosch-Magnetzündung ZR4. Die Beleuchtung waren zwei Karbid-Scheinwerfer von Carl Zeiss aus Jena. Als Kennzeichen wurde A III-118 von der Polizeidirektion Wien zugewiesen.
Der Doppelphaeton-Aufbau mit waagrecht zweigeteilter Frontscheibe, aber ohne Seitenscheiben, erfolgte dann für etwa 3.000 Kronen durch die Karosseriefirma Cerny. Als Wetterschutz diente nur ein Klappverdeck aus Segeltuch. Vor der Sitzbank im Fond gibt es zwei Klappsitze und je eine Tür für die Passagiere. Der Fahrer saß – wie bis 1938 in Österreich Vorschrift – auf der rechten Seite neben einer durchgehenden Wand, an der außen hinter dem Reserverad Schaltung und Handbremse platziert waren.
Im Zentrum des Vierspeichen-Lenkrads befinden sich Handgashebel und Zündverstellung. Ein Hebel am hölzernen Lenkradkranz betätigt die von einem Reibradkompressor gespeiste Druckluft-Hupe. Neben dem Öldruckmesser mit der Maßeinheit Wassersäule waren eine (leider abhanden gekommene) mechanische Uhr und ein MOTA-Tachometer angebracht. Zu den klassischen, stehenden Fuß-Pedalen für Gas, Kupplung und Hinterradbremse kommen noch je ein Pedal für die Betätigung der mit Wasser kühlbaren Kardanbremse und des sogenannten „Kracherl“ – der Überlandklappe am Auspuff, mit der die Leistung (bei erhöhter Lautstärke) gesteigert werden konnte.
Das Auto befand sich im Juni 1914 unverändert im Privatbesitz von Graf Harrach. Als Flügeladjutant des Thronfolgers und Mitglied des k.k. Österreichischen Freiwilligen Automobilkorps stellte er es samt seinem Fahrer Leopold Loyka der „bewaffneten Macht“ für die Manöver in Bosnien zur Verfügung. Dorthin wurde es bei einem Tachometerstand von zirka 8.500 Kilometern mit der Bahn transportiert und am 28. Juni wegen seines zurückklappbaren Verdecks (statt eines Mercedes mit starrem Aufbau) als Thronfolgerfahrzeug ausgewählt.
Auf der Fahrt zum Rathaus von Sarajevo kam es bereits zu einem Handgranaten-Attentat, bei dem zwar das Heck des Gräf & Stift nur leicht beschädigt, im Fahrzeug dahinter jedoch Eric Edler von Merizzi schwer verletzt wurde. Der sollte später im Garnisonsspital besucht werden und dabei nahm das Unglück mit einer Verkettung misslicher Umstände seinen Lauf.
Mangels ausreichender Absprache der Fahrtroute bog die Fahrzeugkolonne irrtümlich zu früh nach rechts ab. Um den Fehler zu korrigieren, musste zum Einlegen des Rückwärtsgangs der Gräf & Stift vollständig zum Stillstand kommen, die Motordrehzahl war über den Hebel am Lenkrad zu reduzieren und zusätzlich eine Sperrklinke zu entriegeln. Diese zwei bis drei Sekunden genügten dem an der Straßenecke stehenden Attentäter, über eine Distanz von weniger als drei Metern das kaiserliche Paar durch Pistolenschüsse tödlich zu verletzen.
Graf Harrach nahm dann von der weiteren Verwendung „seines“ Autos Abstand und schenkte es kurzerhand Kaiser Franz Joseph I., der es dem damaligen Heeresmuseum übergab. Dort wurde es nach dem ersten Weltkrieg in der Feldherrenhalle ausgestellt, bei den Kämpfen um Wien 1945 beschädigt und anschließend der Gummireifen sowie vieler Lederteile beraubt. Eine Restaurierung unter weitgehender Schonung der Original-Substanz wurde 1955 abgeschlossen und seitdem ist der Oldtimer im neuen Sarajevo-Saal des HGM zu besichtigen.
Zum Nachlesen ist nicht zuletzt im Heeresgeschichtlichen Museum in 1030 Wien, Arsenal Objekt 1, das 126seitige Buch „Das Auto von Sarajevo“ mit der ISBN 978-3-9503611-4-8 für 24,95 € zu haben. Das Werk von Mag. Dr. M. Christian Ortner, Direktor des HGM (seit 2007) und Ing. Mag. Thomas Ilming, Leiter des HGM-Bereichs „Waffen und Technik“ erlaubt Einblicke weitergehende in die österreichische Militärgeschichte, erzählt die Geschichte dieses Fahrzeugs und bietet mit vielen aktuellen Detailfotos eine genaue (auch technische) Dokumentation des Wagens.
Text und Fotos: Karl Seiler