Die Stadt Hannover nutzt eine neue Methode, um auch in der kalten Jahreszeit Radwege weitestgehend befahrbar zu halten: Glätte wird durch eine optimierte „Streuung“ von flüssiger Magnesiumchlorid-Sole statt mit angefeuchtetem Streusalz FS 30 bekämpft und Schnee mit einem rotierenden Vorräumbesen anstatt einem Keilpflug geräumt.
Für die Straßenreinigung und einen differenzierten, salzarmen Winterdienst ist in der Niedersächsischen Landeshauptstadt der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) zuständig. Dieser hat dafür 42 Groß- und 60 Klein- sowie 44 Transportfahrzeuge im Einsatz. Rund 260 Mitarbeiter/innen betreuen etwa 2.000 Kilometer Straßen, Rad- und Fußwege. Neben 1,5-maliger Reinigung pro Woche werden auch 5.100 Papierkörbe mindestens zweimal geleert.
Bereits 1999 wurde zusammen mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club ein Winterdienstnetz auf Radwegen erarbeitet. Darauf wurden geeignete Fahrzeuge mit Keilpflug eingesetzte und als Streugut diente manuell verteilter Sand. Seit dem überraschend harten Winter 2010 mit – bis dahin in Hannover nicht gekannten – Schneehöhen von bis zu 30 Zentimetern ließ sich dieses Verfahren nicht mehr aufrechterhalten. Zudem forderten Radfahrer, die ihr Fahrzeug auch in der kalten Jahreszeit immer seltener einmotten, nicht nur eine zeitlich eingeschränkte Räumung bzw. Streuung der Radwege.
Neue Lösungen für den Winterdienst auf Radwegen waren gefragt. Göttingen fungierte als Vorreiter und kombinierte Vorräumbesen mit Solesprühverfahren. Dazu wurde Natursole mit 26,25 Prozent Gehalt an Natriumchlorid (NaCl) aus einer naheliegenden Saline verwendet. Dabei überzeugte die subjektive, positive Wahrnehmung – objektive Daten zur Wirksamkeit wurden aber während der Testphase nicht erhoben.
In Hannover beschloss man, dieses Verfahren für drei Jahre zu testen. Bei 12 Einsätzen im Winter 2013/14 wurden anfangs auf 24 Kilometern Teststrecke nur 15 Milliliter Sole pro Quadratmeter ausgebracht und damit jeweils 3,3 Gramm/m2 Salz verbraucht. Wegen der mehrfach erforderlichen, aber betriebswirtschaftlich ungünstigen Nach-Bearbeitung erhöhte sich der Verbrauch zwar auf ca. 8 Gramm/m2 – auf einer Referenzstrecke konnte aber nur mit 20 Gramm Trockensalz eine gleich gute Verkehrssicherung erreicht werden. Sogar gegenüber Feuchtsalz entsprach das einer Einsparung von 64 Prozent.
Bei dieser neuartigen Winterdienst-Methode auf Radwegen – die Hannover als einzige Großstadt in Deutschland anwendet – nutzt der Zweckverband aha als Träger für einen 1,50 Meter breiten Vorräumbesen und dem Heck-Sprühbalken epoke Virtus Mini Ast in Kombination mit einem 1.000-Liter-Sole-Tank einen Multicar TREMO. Dieses nur 1,32 Meter breite Schmalspurfahrzeug ist wegen seiner relativ engen Fahrerkabine zwar bei den Mitarbeitern nicht beliebt – für schmale Radwege aber richtig bemessen und mit 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht recht leistungsfähig. Sein 75 kW/102 PS starker 2,0-Liter-VW-Turbodiesel ist mit einem stufenlosen, hydrostatischen Fahrantrieb kombiniert und erlaubt mit Rußpartikelfilter den Einsatz in Umweltzonen. Die Gesamtkosten von 125.000 Euro sind vertretbar, weil das Fahrzeug auch für den Sommerbetrieb tauglich ist.
Aktuell wird auf rund 250 Kilometer des etwa 430 Kilometer langen Radwegenetzes in Hannover Magnesiumchlorid-Sole eingesetzt – denn mit dieser wird hier schon seit Jahren Feuchtsalz zubereitet und die Verwendung nur einer Soleart führt zu einer verbesserten Einsatzlogistik. Mit 30 Milliliter Sole pro Quadratmeter hat man nun eine optimale Streumenge gefunden und bringt so nur einen Salzanteil von 6,6 Gramm/m2 aus. Damit sind die Radwege selbst bei überfrierender Nässe so gut befahrbar, dass sie auch gern von Fußgängern (statt der nur mit abstumpfenden Mitteln gestreuten Gehsteige) genutzt werden. Gegenseitige Rücksichtnahme ist dabei erfreulicherweise selbstverständlich, erläuterte Andreas Hübner als stellvertretender Sachgebietsleiter Reinigungsorganisation im Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover beim Presseseminar des Verbandes der Kali- und Salzindustrie e.V.
Text: Karl Seiler, Fotos: aha-Archiv