Von Klaus H. Frank
„Wir stehen voll auf dem Gas“, sagt Dr. Matthias Rabe, Entwicklungschef bei Seat, und präsentiert voller Stolz das jüngste Baby der spanischen VW-Tochter, den neuen Ibiza. Die Wörtchen Vollgas und Stolz nimmt man bei Seat heute gern in den Mund. Kein Wunder, denn die einst kränkelnde Marke fährt derzeit von Erfolg zu Erfolg – mit Vollgas, wie gesagt. In den ersten vier Monaten des Jahres stiegen die Absatzzahlen um 14,5 Prozent – das beste Ergebnis seit dem Jahr 2001. Und kein Ende in Sicht. „Wir wollen weiter wachsen“, sagt auch Bernhard Bauer, Deutschland-Chef bei Seat. Und das dürfte angesichts einer nie dagewesenen Produktoffensive keine Utopie sein: Nach dem Start ihres ersten SUV Ateca schickten die Spanier vor Kurzem den neuen Leon auf die Straße. Im Laufe dieses Jahres wird der kleinere SUV Arona folgen, bevor dann 2018 ein großer siebensitziger SUV folgt – ein Pendant zum Skoda Kodiaq und einem verlängerten VW Tiguan.
Nun aber erst mal der neue Ibiza. Er gefällt mit jugendlich frischem Design, zeitgeistig scharfen Kanten und voller spanischer Emotionen. Er orientiert sich stark am Leon, sieht aus wie ein kleines Geschwisterchen. Unverwechselbar sind die dreieckigen Voll-LED-Scheinwerfer und das markante Tagfahrlicht. Da Seat bei der Konstruktion des Kleinwagens in die „technische Wundertüte“ von VW, den modularen Querbaukasten (MQB A0), greifen konnte, brauchte der Ibiza in der Länge nicht wachsen, um dennoch deutlich geräumiger zu werden. Okay, in der Breite hat er um acht Zentimeter auf 1,78 Meter zugelegt, in Länge (4,06 Meter) und Höhe aber nicht. Ganz wichtig: Der Radstand ist nun mit 2,56 Meter fast zehn Zentimeter länger, was den Passagieren zu einem ungeahnt luftigen Raumgefühl verhilft. Knie- und Ellbogenfreiheit sind enorm, die Sitze sind breiter – nichts kneift. Hinten geht’s auch mal zu dritt, und sogar Sitzriesen finden Platz. Auch dem Gepäck wurde mehr Platz eingeräumt. Der Kofferraum schluckt nun 355 Liter, das sind 63 Liter mehr als vorher und fast das Niveau eines Kompaktwagens. Zum Vergleich: Der Polo schluckt nur 280 Liter.
Durch den größeren Innenraum ist auch dort alles neu: Das Armaturenbrett liegt nun breit und übersichtlich vor dem Fahrer, die Bedienung gestaltet sich fast genauso wie im Ateca und Leon. Bei den Assistenten (wie soll’s auch anders sein) ist der Ibiza topaktuell. Er besitzt unter anderem ein Umfeldbeobachtungssystem mit City-Notbremsfunktion, eine automatische Distanzregelung (ACC) sowie eine verbesserte Rückfahrkamera, deren Bilder gestochen scharf auf das Acht-Zoll-Touchscreen (mit Glasoberfläche) geliefert werden. Zudem gibt es (leider meist gegen Aufpreis) einige Helferlein, die bisher in dieser Fahrzeugklasse eher unüblich sind, etwa die Müdigkeitserkennung, die automatische Notbremsfunktion mit Fußgängererkennung und den Stauassistenten, der in Kombination mit ACC und DSG auch im stressigen Berufsverkehrs für relativ entspanntes Fahren sorgt.
Mit seinen neuen Proportionen steht der seit 33 Jahren gebaute und 5,4 Millionen Mal verkaufte Ibiza (vorerst nur als Fünftürer) deutlich satter auf der Straße, wirkt schon im Stand dynamisch, wozu zum einen die kurzen Überhäng, aber auch die breitere Spur (vorn plus 60, hinten plus 48 Millimeter) beiträgt. Und die wiederum sorgt gemeinsam mit dem optimierten Fahrwerk, einer direkten Lenkung und der höheren Steifigkeit für ausgezeichnete Fahreigenschaften.
Als Triebwerke sind fünf Benziner (65 bis 150 PS), drei Diesel (80 bis 115 PS) und einen Erdgasmotor mit 90 PS im Programm. Der 150-PS-Benziner ist der einzige Vierzylinder und kommt erst Ende des Jahres. Alle anderen Benziner laufen auf drei Töpfen. Die beiden stärkeren sind direkteinspritzende Turbomotoren und damit richtig spritzig und unten raus durchaus kraftvoll. Überzeugend ist ihre Laufkultur, der Geräuschpegel bleibt auch bei Vollgastempo erfreulich niedrig. Den stärksten Dreizylinder gibt’s auch mit DSG statt Sechsganggetriebe.
Wir fuhren den jüngsten Seat-Spross in der 115-PS-Vrsion in rund um Barcelona und können nur Erfreuliches berichten. Wer sich traut, kann den Ibiza richtig flott in die Kurven schmeißen – der kleine Spanier meistert sie geradezu stoisch gutmütig. Die Bremsen sind top, die Lenkung zielgenau. Den Sprint auf 100 schafft er in 9,3 Sekunden, die Spitze liegt bei 195 km/h. Den Normverbrauch von 4,7 Liter erreichten wir zwar nicht, waren aber mit 5,7 Liter auf unserer Teststrecke auch zufrieden.
Der Ibiza (beim Händler steht er am 10. Juni) ist also erwachsener geworden, richtet sich aber weiterhin hauptsächlich an junge Klientel. Und die wird sich freuen, dass der Einstiegpreis für den kleinen Benziner mit 65 PS bei nur 12 990 Euro liegt. Wer’s Abi schon hinter sich hat und nicht allein aufs Taschengeld der Eltern angewiesen ist, kann sich vielleicht schon die besser ausgestattete Version Reference mit 75 PS leisten. Die kostet 14 240 Euro. Die Top-Versionen Xcellence und FR mit dem 115-PS-Triebwerk liegen bei 19 690 Euro. Da kann sicherlich Omi was zuschießen, wenn sie mal fleißig in ihrem Sparstumpf kramt. (autour24)