Elektro-Golf kratzt an 300-Kilometer-Marke

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Zu geringe Reichweite, das ist in der Regel der meist geanannte Kritikpunkt, der zu hören ist, wenn es um Elektroautos geht. Deshalb hat Volkswagen sich beim Update des E-Golfs besonders ins Zeug gelegt. Stolze 300 Kilometer Reichweite gibt der Hersteller jetzt als offiziellen Wert für den elektrifizierten Kompaktwagen an. Zumindest unter idealen Bedingungen. Möglich ist dies durch neue Batteriezellen, die eine höhere Energiedichte besitzen. Die Kapazität steigt um 11,6 kWh auf 35,8 Kilowattstunden, die mögliche Leistungsausbeute auf 100 kW/ 136 PS. Dies entspricht einer Steigerung von 21 PS.

Ob jeder Kunde mit einer Batterieladung – die an der Schnell-Ladesäule in 45 Minuten 80 Prozent Füllstand ermöglichen soll – tatsächlich 300 Kilometer weit kommt, muss die Praxis zeugen. Bei einer Langzeitnutzung unter verschiedenen Anforderungs- und Klimabedingungen sei mit „durchschnittlich 200 Kilometern im relevanten Kundenbetrieb“ zu rechnen, war bei der Präsentation des optimierten e-Golf zu hören. In der Praxis: Nach knapp 100 Testkilometern auf der Landstraße mit zwei Personen und Gepäck zeigte das Ladeinstrument immerhin noch gut ein Drittel Füllstand. Zu sorglosem Umgang mit dem wertvollen Stromvorrat verleitet der E-Golf ohnehin nicht: Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 150 km/h limitiert.

Mit der Kapazität der Hochvolt-Batterie stieg auch das Gewicht des Akkus, das jetzt bei 345 Kilogramm liegt. Ein enormer Klotz, der dem Golf da zwischen den Achsen liegt und die Gesamtmasse des Fünftürers auf mehr als 1600 Kilogramm schraubt. Zum Erstaunen des Testfahrers macht das Trumm den Golf aber keineswegs behäbig, sondern lässt ihn mit satter Bodenhaftung und souverän griffig die Kehren nehmen. Die Gründe sind in dem durchaus deftigen Drehmoment von 290 Newtonmetern zu sehen, mit denen der Kompakt-Elektriker zu Werke geht, und in dem tiefen Fahrzeugschwerpunkt, den der Einbauort der Batterie mit sich bringt.

Noch ein bisschen agiler benimmt sich die GTE-Version des Golfs, die auf gleich zwei Kraftquellen zurückgreifen kann. Abweichend vom rein elektrischen Schwestermodell hat er seine Ladebuchse hinter dem VW-Markenemblem an der Front. Der 150 PS starke Benziner und der 102-PS-Elektromotor vereinigen sich zu einer Systemleistung von 204 PS. Da das Gewicht des Fahrzeugs dem des e-Golfs ebenbürtig ist, sprintet er schon in 7,6 Sekunden und damit zwei Sekunden schneller auf 100 km/h. Tribut fordert die Hybridtechnik allerdings beim Ladevolumen. Der Batteriekoffer im Heck nagt am Gepäckraum und lässt nur 272 Liter übrig.

Der angegebene Verbrauch von durchschnittlich 1,6 Litern Kraftstoff je 100 Kilometer hat lediglich statistischen Wert, aber mit dem Zweifachen dessen ist durchaus gut Fortkommen – so jedenfalls vom Bordcomputer errechnet nach Ende der Testfahrt. Beiden elektrifizierten Varianten gemein ist das leichtgängige und unkomplizierte Handling, die Golf-typische Übersichtlichkeit und die inzwischen umfangreiche Auswahl an Konnektivitäts- und Assistenzsystemen. Nicht ohne Grund hat Volkswagen für die Überarbeitung seines Bestsellers den in der Internetwelt gebräuchlichen Begriff „Update“ gewählt, statt die Modellrenovierung wie üblich „Facelift“ zu nennen.

Für Entwicklungschef Dr. Frank Welsch ist die Tatsache, dass der Golf nunmehr dank eigener SIM-Karte ständig online ist, nur konsequent und selbstverständlich. Das „Herz von Volkswagen“, das Welsch im Modell Golf sieht, müsse Trendsetter und Innovator sein. Mit der ersten Gestensteuerung für ein Infotainmentsystem in der Kompaktklasse untermauere der Golf diese Vorreiterrolle. Allerdings kostet das dafür notwendige Navigationsgerät Discover Pro auch 2385 Euro extra. Laut Welsch, der bereits an der Entwicklung der vierten Golf-Generation mitwirkte, setze der Wagen „Maßstäbe an Qualität und Wertigkeit“. Deshalb „positionieren wir ihn ganz oben in der Klasse, die nach ihm benannt ist“.

Wer sich die digitalen Segnungen im neuen Golf anschaut, muss zu der Erkenntnis gelangen, dass fahren nicht mehr das Wichtigste bei diesem Auto ist. Ohne Scheu vor unvermeidlichem finanziellem Aufwand kann man seinen Kompakten zum persönlichen Assistenten hochrüsten, der nicht nur selbstständig im Stop-and-Go-Verkehr mitschwimmt, sondern auch das Bild des Briefträgers auf den Navi-Monitor überträgt, wenn der zuhause an der Tür klingelt. Dass gleichzeitig eine Sprechverbindung zu dem Boten aufgebaut werden kann, versteht sich von selbst.

Drei verschiedene Monitorgrößen stehen zur Auswahl, wobei 6,5 Zoll das Minimalmaß darstellt. Stolze 9,2 Zoll ist er bei der Topversion groß und präsentiert sich als edel anmutende glatte Oberfläche, in der die Bedienfelder bündig eingelassen und nur optisch zu differenzieren sind. Wer’s mag, wird es lieben, eine haptische Rückmeldung oder eine fühlbare Abgrenzung der Sensorflächen voneinander wäre aber für eine zielsichere Bedienbarkeit auch nicht schlecht gewesen. Zum Paket der Neuerungen gehört noch, dass die Xenon-Scheinwerfer aus dem Programm verschwunden sind. Außer dem Standard-Halogenlicht leuchten jetzt LED-Strahler die Fahrbahn aus. (ampnet/afb/autour24)

Technische Daten VW e-Golf : Fünftüriger, fünfsitziger Kompaktwagen mit Frontantrieb, 1-Gang-Getriebe, Länge: 4,27 Meter, Breite: 1,80 Meter (mit Außenspiegeln 2,03 Meter), Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,63 Meter, Kofferraumvolumen: 341 bis 1231 Liter. Motor: Permanentmagneterregte Synchronmaschine (PSM), Leistung 100 kW (136 PS) bei 3.000-12.000 U/min, max. Drehmoment: 290 Nm bei 0-3.000 U/min, 0-100 km/h 9,6 s, Vmax: 150 km/h, Batterie 35,8 kWh, NEFZ-Reichweite: 300 km, Effizienz-Klasse: A+, Preis: 35.900 Euro

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