Von Klaus H. Frank
Jetzt ist er in seinem Element, der VW Passat Alltrack, spielt auf winterlichen Straßen all jene Trumpfkarten aus, die sein ziviler Bruder nicht besitzt: permanenter Allradantrieb und eine höhere Bodenfreiheit. Deutschlands Dienstwagen Nr. 1 lässt mit diesen Qualitäten all jene nicht im Stich, die dem Passat einst das Negativ-Image eines Vertreterautos verliehen haben – dem Handlungsreisenden. Der jedenfalls muss zu jeder Jahreszeit all seine Kunden sicher erreichen, auch wenn sie auf einer entlegenen Alm wohnen. Mit dem Alltrack „null problemo“. Selbst wenn die Feldwege dorthin ausgefahren und morastig sind – der Alltrack kann das. Die um 2,4 Zentimeter auf 17,4 Zentimeter gewachsene Bodenfreiheit schafft Luft und der permanente Allradantrieb tut sein Übriges. Normal werden zwar nur die Vorderräder angetrieben (das spart Sprit), aber bei drohendem Traktionsverlust schaltet die Haldex-Kupplung die Hinterachse zu. Zudem verteilen elektronische Differentialsperren die Kraft zwischen den beiden Rädern einer Achse.
Die fünf Modi der Fahrprogramme des Passat (Eco, Comfort, Normal, Sport und Individual) werden im Alltrack durch den Modus „Offroad“ erweitert. Der stellt Assistenten, ABS, Fahrwerk und Getriebesteuerung auf „Wald und Wiese“ und navigiert den Alltrack sicher durchs Gelände. Besonders praktisch hierbei ist der Bergabfahr-Assistent, der für gleichmäßig langsame Abfahrten zwischen zwei und dreißig km/h den Berg hinab sorgt und herhindert, das automatisch hochgeschaltet wird. Biegt der Alltrack wieder auf normale Asphaltstraßen ein, so zeigt er kaum Unterschiede zum Normal-Passat. Die längeren Federwege und die höhere Bodenfreiheit machen sich nicht negativ bemerkbar.
In der aktuellen Generation ist aus dem früheren Biedermann ein todschickes Auto geworden, dem auch der Offroad-Look außerordentlich gut steht. Besonders auffällig ist der neue Unterfahrschutz, den VW erstaunlicherweise nicht mehr aus Metall sondern aus Kunststoff fertigt. Und der soll genauso widerstandsfähig wie Metall sein und, was ganz wichtig ist, er wiegt 16 Kilo leichter. Im Automobilbau wird ja um jedes Gramms geknausert. Sehr schick sind die matt verchromten Außenspiegel und eloxierte Dachreling.
Bei der Motorisierung entschieden wir uns beim Testwagen für den 220 PS starken Zweiliter TSI mit dem serienmäßigen Siebengang-DSG. Dank des hohen Drehmoments von 350 Nm schon ab 1500 Touren tritt der Alltrack schon unten raus enorm kraftvoll an, meistert den Sprint auf 100 in 6,8 Sekunden und schafft eine Spitze von 231 km/h. Der Normverbrauch von 6,8 Litern ist die pure Illusion – es sollte mit zwei Liter mehr gerechnet werden.
Der Volkswagen Passat Variant wird ja gern als Raumwunder bezeichnet. Ist das auch beim Alltrack so? Jein! Im Alltrack (er ist nur als Variant erhältlich) geht es platztechnisch nicht ganz so üppig zu wie im normalen Passat Variant. 639 bis 1769 Liter Gepäckraumvolumen stehen einem Wert von 650 bis 1780 Liter beim klassischen Passat-Kombi gegenüber – diese kleine Einschränkung sollte aber nun wirklich nicht ins Gewicht fallen. Und Besucher des schwedischen Möbelhauses dürfen versichert sein – auch Billy passt da rein. Denn wird der Beifahrersitz umgeklappt, dann wächst die Laderaumlänge von 2,02 Meter auf genau 2,80 Meter – völlig ausreichend für dieses Kultregal.
Bei den Assistenzsystemen ist der Alltrack weltmeisterlich – er besitzt nahezu alles. Super ist der „Trailer Assist“, der Gespann-Fahrern das Rangieren beim Rückwärtsfahren komplett abnimmt. Ein paar kurze Einstellungen, Gas geben und bremsen – und schon ist der Hänger eingeparkt. Spitze ist der Area View (865 Euro), mit dem das Umfeld des Fahrzeugs aus allen denkbaren Perspektiven auf dem Bildschirm dargestellt wird. Sinnvoll aber teuer das gesamte Fahrerassistenz-Paket für 2975 Euro, in dem dann eine wahre Armada von Assistenten dem Autofahrer das Leben am Steuer erleichtert. Grandios ist die automatische Distanzregelung ACC, bei der ein Abstandssensor die Entfernung zu einem vorausfahrenden Fahrzeugs misst und die Geschwindigkeit zu ihm reguliert. Ein wichtier Sscchritt zum autonomen Fahren.
Preislich liegt der Passat etwa 2000 Euro über seinen normalen Brüdern und startet mit dem zwei Liter TSI im Alltrack bei 42 575 Euro. Klingt gut, ist aber genauso Illusion wie der Norm-Verbrauch. Denn wer den Alltrack halbwegs vernünftig ausstatten möchte und in der Liste der Sonderausstattung ein paar Häkchen zu viel setzt, der nähert sich ruck-zuck die 60 000-Euro-Grenze. (autour24)