Von Klaus H. Frank
Es muss nicht immer Deutsch sein. Die Premium-Limousinen der Oberklasse von Mercedes (E-Klasse), Audi (A6) und BMW (5er) müssen sich auf Konkurrenz einstellen, sehr ernst zu nehmende. Volvo präsentiert seine Business-Limousine S90 – und die fährt voll auf Augenhöhe mit den etablierten großen Drei. In Sachen Länge sogar ein Stückchen voraus (wenn‘s auch nur Millimeter sind), denn das neue Schweden-Flaggschiff misst stolze 4,96 Meter bei einem Radstand von 2,94 Meter. Stattliche Maße (jeweils zirka 15 Zentimeter mehr als im Vorgänger S80), die viel Innenraum versprechen. Und so ist es denn auch. Bei normal großen Frontpassagieren, können Mitfahrer im Fond geradezu die Beine übereinanderschlagen, so üppig sind dort die Platzverhältnisse. Auch das Kofferraumvolumen geht mit 500 Litern voll in Ordnung.
Im Außendesign fallen große ruhige Flächen und klare Linien auf, auf die der deutsche Designer Thomas Ingenlath so viel Wert legt. Keine Sicke oder Lichtkante stört den harmonischen Fluss der Flanken, das Heck hingegen ist etwas zerklüftet – mindestens eine Sicke scheint dort zu viel. Der „Wasserfallgrill“ in der Front mit vertikalen Streben ist leicht nach innen gewölbt, flankiert von schmalen Scheinwerfern, in denen das Tagfahrlicht dominiert. Angeordnet wie ein liegendes „T“, soll es einen Hammer symbolisieren, den von Thor, der Gottheit aus der nordischen Mythologie.
Sie ist echt cool, die neue Business-Limousine S90 von Volvo. Cool, nicht nur weil sie aus dem kühlen Norden kommt – cool vor allem, weil sich der Innenraum am extravaganten, typisch skandinavischen Möbel-Design orientiert. Womit nicht das Mobiliar des berühmten blau-gelben schwedischen Discounters gemeint ist, sondern sehr hochwertige, individuelle Stücke, die warm dekorierte Wohnzimmer skandinavischer Häuser schmücken. Hervorragend verarbeitet und todschick das Ganze –nicht nur von der Optik her, auch von der Haptik: Es fühlt sich gut an, womit die Armaturentafel und die schicken Ledersitze überzogen sind. Und: Alles was nach Holz aussieht, ist auch tatsächlich solides Holz und alles was nach Alu aussieht, besteht auch wirklich aus Aluminium.
Im Innenraum schweift der Blick des Fahrers übers Cockpit und sucht nach Knöpfen und Schaltern aber es gibt kaum welche. Fast alles wird über das zentrale Display (9,2 Zoll) gesteuert, das wie ein riesiges senkrecht stehendes Tablet die Armaturentafel dominiert. Es braucht etwas Übung, sich dort zurecht zu finden – Gewöhnungssache. Neueste Technik unterstützt den Fahrer ganz vorbildlich, informiert via Head-up-Display über Geschwindigkeit, Verkehrsschilder und Navi-Hinweise, die direkt ins Blickfeld des Fahrers in die Windschutzscheibe eingespiegelt werden. Das Infotainment-System neuester Generation ist perfekt, besitzt Bluetooth, kann Audio-Streaming und hat Internetzugang.
In Sachen Sicherheit und Assistenzsystemen fährt die Volvo-Limousine wie zu erwarten ganz vorne mit. Autonomes Fahren steht zwar fern am Horizont, bedarf aber wegen des tragischen Tesla-Unfalls den Hinweis, dass einzig der Fahrer die letzte Entscheidung fällen muss. Wegweisend im wahrsten Sinne des Wortes ist der neue „Pilot Assist“, der den S90 bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h in der Spur hält, ohne sich an einem vorausfahrenden Auto orientieren zu müssen. Der Kontakt zum Lenkrad muss dabei gewahrt bleiben – auch wenn dies nur mit zwei Fingern geschieht. Auch zwei Weltneuheiten finden sich im Volvo S90. Zum einen die Wildtier-Erkennung, die tags und auch bei Nacht große Tiere ab etwa Wildschein, also Elche Pferde, Kühe, erkennt und selbsttätig bremst. Zweite Neuheit ist die Road Edge Detection, die das Fahrzeug auf der Straße hält, auch wenn keine Fahrbahnmarkierung am rechten Fahrbahnrand vorhanden ist.
Es ist ja nichts Neues: Volvos werden nur noch von Vierzylindern mit zwei Litern Hubraum angetrieben. Kombiniert sind sie mit einer sehr weich schaltenden Achtgang-Automatik. Vier Triebwerke stehen momentan zur Wahl: Bei den Dieseln der D4 mit 190 PS (ab 42 750 Euro, Normverbrauch 4,4 Liter) sowie der stärkere D5 AWD mit 235 PS (ab 48 100 Euro). Auf der Benzinseite sind es der 254 PS starke T5 (49 950 Euro) und der über einen Kompressor aufgeladene T6 AWD mit 320 PS (57 550 Euro). D5 und T6 besitzen Allradantrieb. Wer allzu übermütig seine Kreuzchen in der Aufpreisliste setzt, schafft es mühelos, die 70 000-Euro-Grenze zu knacken. Für nächstes Jahr ist noch der Einstiegs-Diesel D3 (140 PS) geplant, außerdem ein Plug-in-Hybrid T8 mit einer Systemleistung von 407 PS und einer elektrischen Reichweite von etwa 50 Kilometern.
Wenngleich der S90 (Händlerpremiere am 22. Juli) bereits ein echtes Highlight ist, setzt Volvo im Herbst noch eins drauf und stellt den V90 vor, ein Kombi, der 550 bis 1526 Liter Gepäck schlucken soll und etwa 3000 Euro über dem Preis des S90 liegen wird. Im Kombiland Deutschland wird er der echte Renner sein und etwa zwei Drittel der Verkäufe bei der 90er-Baureihe ausmachen.