Von Klaus H. Frank
Bernhard Bauer, Geschäftsführer von Seat Deutschland, ist „stolz wie Bolle“. Kann er auch. Denn die Geschichte, wie Seat in den vergangenen Jahren gewachsen ist, gäbe das perfekte Drehbuch für einen Film mit dem Titel „Die Marke, die von ganz weit unten kam“. Nach sechs mageren Jahren ist die spanische VW-Tochter endlich wieder in die Gewinnzone gerutscht. „Das macht uns selbstbewusst“, sagt Bauer, „aber nicht arrogant“. Es ist tatsächlich eine Erfolgsstory: Einen Zuwachs von 88 Prozent hat Seat Deutschland in den letzten fünf Jahren realisiert. Wo gibt’s das noch? Und es wird weitergehen.
Denn es kommt das erste SUV von Seat, der Ateca. Am 2. Juli rollt er zum Händler. Im Design kommt er uns typisch spanisch vor, besitzt viel von den Seat-Design-Elementen, wie wir sie in erster Linie beim Leon finden. Scharf geschnittene Kanten und Sicken, trapezförmiger Lufteinlass in der Schürze, dreieckige Signatur des Tagfahrlichts.
Geschätzte 20 000 Ateca sollen pro Jahr verkauft werden. Das ist eine beachtliche Hausnummer. Damit wächst der Ateca zum dritten Standbein der Marke, neben dem Leon (42 000 Zulassungen in 2015) und dem Ibiza (25 000 Zulassungen im Jahr 2015). Dass die Prognosen aufgehen könnten, untermauern zwei Zahlen ganz deutlich: Zum einen ist der SUV-Markt in den letzten fünf Jahren um 65 Prozent gewachsen – noch oben kein Ende. Und, noch erstaunlicher: Es gibt mittlerweile 5000 Blindbestellungen von Menschen, die das Auto weder gesehen noch gefahren haben. Tolle Vorschusslorbeeren. So etwas kennt man eigentlich nur von exotischen Fahrzeugen, die in limitierten Auflagen auf den Markt kommen.
Der Seat Ateca, benannt nach einem kleinen Dorf am Stadtrand von Zaragoza, wurde im spanischen Werk Martorell entworfen und läuft im tschechischen Kvasiny bei Skoda vom Band. Wie mittlerweile etliche Fahrzeuge im VW-Konzern baut er auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) auf, ist mit 4,36 Metern 13 Zentimeter kürzer als der eng verwandte VW Tiguan und damit wendiger, besser geeignet als urbaner Crossover. Die Platzverhältnisse im Innenraum sind gut, er hat die beste Raumausnutzung im Segment. Der Kofferraum schluckt beim Fronttriebler 510 bis 1604 Liter, beim Allradler 484 bis 1579 Liter. Die optional sensorgesteuerte Heckklappe lässt sich per Fußkick nicht nur öffnen, sondern auch schließen. Praktisch: Die Rücksitze können auch vom Heck aus mit Ziehgriffen umgeklappt werden. Leider aber ist der Laderaum nicht topfeben, sondern hat eine leichte Stufe.
Das Cockpit erinnert stark an den neuen VW Tiguan und auch die gut verarbeitete Ausstattung ist weitgehend identisch. Allerdings: Der Ateca hat kein Active Info Display, kein Head-up-Display und keinen Trailer Assist. Aber er hat LED-Scheinwerfer, einen Abstandstempomaten, eine 360-Grad-Rundumsichtkamera, Verkehrszeichenerkennung sowie Assistenten, die den toten Winkel kontrollieren und aufpassen, dass das Fahrzeug nicht ungewollt die Spur verlässt. Auch der Querverkehr hinter dem Fahrzeug wird überwacht. Außerdem gibt‘s Einparkautomatik und serienmäßig die City-Notbremsfunktion mit Fußgängererkennung. Ein Segen für den dichten Stopp-an-Go-Verkehr der Städte ist der Stauassistent, der innerhalb einer gewissen Geschwindigkeit automatisch lenkt, bremst und beschleunigt. Wir finden im Ateca ein ähnliches Drehrad wie im Tiguan, mit dem die diversen Fahrmodi angewählt werden und beim Fronttriebler Normal, Sport, Eco und Individual heißen. Beim Allradler (4Drive) werden die Modi von Schnee und Offroad ergänzt. Sehr hilfreich ist die Bergabfahrkontrolle, mit der der Ateca leichtes Gelände mühelos meistert. Abseits unbefestigter Straßen erweist sich der Ateca als gutmütiges und sehr wankstabiles Fahrzeug. Es schafft den Spagat zwischen Komfort und Dynamik recht ordentlich, lässt adaptive Dämpfer, wie sie der Tiguan besitzt, eigentlich nicht vermissen.
Bei den Triebwerken findet der Zweiliter-Diesel mit 150 PS am meisten Gefallen, denn er hat unten raus schon richtig Kraft, beschleunigt in 8,3 Sekunden auf 100 und schafft eine Spitze von 202 km/h. Der Normverbrauch beschränkt sich auf sparsame 4,3 Liter. Der Preis: 27 560 Euro. Sehr gut gefällt auch das Benzin-Pendant mit ebenfalls 150 PS aber nur 1,4 Liter Hubraum. Der TSI besitzt nahezu identische Leistungen, sprintet in 8,5 Sekunden auf 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 201 km/h. Der Normverbrauch: 5,3 Liter. Der Preis liegt mit 24 700 Euro fast drei Tausender unter dem des Diesels. Wahlweise gibt es je nach Motorvariante Sechsgang-Handschaltung sowie ein sechs- oder siebenstufiges Doppelkupplungsgetriebe. Zum Jahresschluss wird Seat das Einstiegsmodell 1.0 TSI mit drei Zylindern und 115 PS nachschieben. Der Preis lässt aufhorchen: Nur 19 990 Euro soll der kleinste Ateca kosten – ein Schnäppchen.
Seat kann dank des neuen Ateca mit großem Optimismus in die Zukunft schauen. Doch mit dem Ateca ist noch nicht Schluss mit SUV’s. Denn schon im nächsten Jahr wollen die Spanier einen kleineren Crossover auf den Markt bringen. Olé!